ΓΝΩΘΙ ΣΑΥΤΟΝ oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde

Herausgegeben von: Karl Philipp Moritz, Karl Friedrich Pockels und Salomon Maimon
Digitale Edition herausgegeben von Sheila Dickson und Christof Wingertszahn


Startseite > Bandnavigation > Band: X, Stück: 1 (1793) >  

II.

Sprache in psychologischer Rücksicht.

Maimon, Salomon

Der Unterschied zwischen Sprache in psychologischer und logischer Rücksicht besteht, wie ich dafür halte, darinn: In dieser wird die Sprache als Ausdruck der transzendentalen Formen und Begriffe ohne ihre Anwendung auf besondere Gegenstände bestimmt; in jener hingegen wird das erstre schon vorausgesetzt, und blos auf das Letztere Rücksicht genommen. Ich nehme z.B. diese zwei Sätze: Ich denke, und mich dünkt. Im logischen Betracht ist es hinreichend, wenn ich sage: In dem Satze: Ich denke, bedeutet Ich die Substanz, und denke ihre Akzidenz (ihren Zustand, indem ich denke, so viel ist, als ich bin gegenwärtig denkend). In mich dünkt aber ist mich das leidende Objekt, dünkt die Wirkung, die sich auf eine unbekannte Ursache, die aber nicht ausgedrückt wird, bezieht. Ich habe also hier diese Sätze bloß im logischen Betracht untersucht.

Wenn ich aber ferner nach dem Grunde frage: warum ich im ersten Falle die Form von Substanz und Akzidenz; im letzten aber die von Ursache und Wirkung gebrauche, oder wie müssen die Gegenstände beschaffen seyn, wenn ich sie dieser oder jener [12]Form subsumiren soll? und finde, daß das denken die zur Hervorbringung des Gedachten zureichende Wirkung des Denkens bedeutet, so daß das Gedachte selbst als ein durch die Wirkung hervorgebrachter Zustand des Subjekts angesehn wird; das Dünken aber, die zur Hervorbringung des Gedachten unzureichende Wirkung des Denkens bedeutet, und in so fern ein Leiden in sich einschließt, daher ich mich im ersten Falle der Ersten, und im Lezten der leztern Form bediene, so habe ich diese Sätze in psychologischer Rücksicht betrachtet. Eben so ist es, wenn ich in: ich denke das Ich als Ursache und das Denken als Wirkung betrachte, so wird freilich die Form von Ursache und Wirkung in beiden Sätzen gebraucht, daß aber in dem einen Satze das Wirken, im andern aber das Leiden ausgedrückt wird, muß dennoch aus dem Vorerwähnten Grunde psychologisch erklärt werden u. dergl.

In Ansehung der unpersönlichen Zeitwörter sagt mein Freund der Verfasser dieses Aufsatzes (Seite 94) »Ihren Namen haben sie natürlicherweise daher erhalten, weil man sich unter denselben eine bloße Veränderung ohne eine handelnde Person (nach dieser Bestimmung müßten auch die mehrsten Verba, die sich zwar auf eine wirkende Ursache, aber nicht auf eine handelnde Person beziehen, (wie z.B. das Feuer schmilzt das Wachs u. dergl.) Impersonale heißen. Es müßte also [13]hier hinzugefügt werden: oder eine bestimmte Ursache, die personifizirt, d.h. als handelnde Person gedacht werden kann) denkt, wodurch diese Veränderung hervorgebracht wird: ja man scheint nicht einmahl dabei auf eine nächste Ursache Rücksicht zu nehmen.« »Denn wenn ich z.B. sage: es donnert, so stelle ich mir unter dem es eigentlich nichts weiter als den Donner selbst vor.« Ich glaube, daß die Impersonale sich zwar nicht auf eine bestimmte, aber doch auf eine Ursache überhaupt beziehn, und es donnert heist so viel als eine mir unbekannte Ursache donnert, oder bringt den Donner hervor, wie sich der Verfasser selbst in der Folge darüber erklärt.

Ferner wirft der Verfasser die Frage auf (95.) woher mag es aber kommen u.s.w.?

Hier wird abermahl handelnde Person statt wirkende Ursache gesetzt. Freilich wissen wir von sehr wenigen Veränderungen die handelnde Person, wir wissen aber von sehr vielen die wirkende Ursache als handelnde Person betrachtet; und dies ist der Grund, warum wir in der Sprache verhältnismäßig so wenige Impersonale haben, weil diese nicht nur keine handelnde Person, sondern auch keine bestimmte Ursache, die als handelnde Person betrachtet wird, voraussetzen.

(97.) »Wie fein z.B. ist die Grenzlinie zwischen den Ausdrücken, es scheint mir, es däucht [14] mir, es kömmt mir vor u.s.w., und dem Ausdruck: ich glaube, wo der Wille unsrer vorher schwankenden Meinung gleichsam noch den Ausschlag giebt.«

Diese Erklärung setzt den Werth unsres Glaubens zu sehr herunter als daß man sie gelten lassen kann, wo man nicht unter Willen das Vermögen sich nach einem Prinzip der Vernunft zum Handeln zu bestimmen versteht; der Glaube wird alsdann die Voraussetzung solcher Objekte bedeuten, deren Erkenntniß bloß regulativ ist, und bloß, zum Behuf dieses Willens als konstitutiv angesehen wird. Diese Betrachtung ist aber zu fein als daß der gemeine Sprachgebrauch darauf Rücksicht nehmen könnte.

Was mich anbetrift, so halte ich dafür, daß, es scheint mir, es däucht mir u. dergl. von der Ungewißheit unsrer Erkenntniß in Ansehung der Gegenstände selbst entstehen, ich glaube aber diese Ungewißheit in Ansehung ihrer Verhältnisse zu einander bedeutet; es ist hier die Frage nicht, ob die Menschen im Sprechen diesen Unterschied beständig beobachten, sondern meine Behauptung geht bloß dahin, daß sie ihn, den ursprünglichen Gefühlen zufolge beobachten sollten. Wenn jemand z.B. etwas Gelbes Goldähnliches sieht, sollte er nicht sagen: ich glaube daß es Gold sey, sondern es scheint mir Gold zu seyn, weil hier die Ungewiß-[15]heit in Ansehung des Gegenstandes selbst ist. Er kann aber nicht sagen: es scheint mir, daß ein unendlich vollkommenes Wesen die Welt regiere, sondern ich glaube u.s.w. Weil, weder der Begriff eines unendlich vollkommenen Wesens an sich, noch der Weltregierung an sich eine Ungewißheit zuläßt, sondern bloß ihr Verhältniß zu einander.

»So sagen wir auch nicht ohne Grund: es schläfert mich, aber nicht es schläft mich, sondern ich schlafe.«

Ganz richtig! Schläfern bedeutet die Wirkung einer äussern (von unsrer Willkühr unabhängigen) Ursache, die, wenn man sich ihr nicht widersetzt, das Schlafen hervorbringen wird; man kann sich aber bloß in Ansehung ihres Erfolgs (des Schlafens) durch eine Entgegenwirkung, nicht in Ansehung ihrer selbst widersetzen.

Das Schlafen also, nicht aber das Schläfern hängt von unserm Willen ab.

Genauer zu reden, so ist das Schläfern die Wirkung (operatio) einer äußern Ursache, wovon das Gewirkte (opus) nicht das Schlafen, sondern das Einschlafen ist. Das Schlafen ist bloß ein auf diese Wirkung erfolgter Zustand, man sagt daher mit Grund es schläfert mich, d.h., etwas wirkt auf mich das Einschlafen und ich schlafe, welches so viel ist als ich bin schlafend, d.h., die hervorgebrachte Modifikazion des Schla-[16]fens wird nicht mehr als Wirkung von etwas außer mir, sondern als Attribut von mir (indem es mein Zustand ist) betrachtet.

(98.) Meiner Meinung nach ist in mich hungert das Es per elip. ausgelassen, und mich hungert bezieht sich sowohl als es hungert mich, auf eine unbekannte Ursache. Daß man aber sagen kann, mich hungert, aber nicht mich freuet, sondern es freuet mich; rührt daher, weil sich das Es im letzten Falle, nicht auf das unbekannte Objekt, sondern auf den von mir vorgestellten Satz als Ursache der Freude bezieht; z.B. es freuet mich, daß mein Freund angekommen ist. Hier wird auf die entfernte Ursache meiner Freude (die Ursache des Ankommens meines Freundes) gar keine Rücksicht genommen, sondern bloß die nächste Ursache (das Ankommen meines Freundes) in Erwägung gezogen.

(Die Fortsetzung folgt.)