ΓΝΩΘΙ ΣΑΥΤΟΝ oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde

Herausgegeben von: Karl Philipp Moritz, Karl Friedrich Pockels und Salomon Maimon
Digitale Edition herausgegeben von Sheila Dickson und Christof Wingertszahn


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3.

Uebergang des Aberglaubens in Wahnwitz.

Mathy, Joseph Hyazinth Adalbert


(Siehe 9ten Bandes 1stes Stück S. 109.)

Anna Maria Sirkin, kleiner Statur und magerer Komplexion, auf dem Lande geboren, in der katholischen Religion und allem Aberglauben des rohesten Landvolkes erzogen, war seit ihrem 14ten Jahre, immer im ehelosen Stande, in der Stadt gewesen, und hatte dreizehn Jahre lang in meiner Eltern Hause als Köchin gedient. Ihrem Charakter nach war sie mißtrauisch, eigensinnig, zänkisch, hatte ihre ganz eignen Launen, war wenig dienstfertig und floh die Menschen. Thätigkeit war ihre Sache nicht, sie sprach wenig, und konnte Stundenlang sitzen ohne ein Glied zu rühren, pflegte doch aber zwischenein vor sich etwas zu singen. Sie sparte mit äußerster Sorgfalt, und vielleicht war das die Ursache ihrer wenigen Geselligkeit. Andächtig war sie nicht übertrieben. Sie ging wöchentlich einmal in die Kirche, und betete zu Hause ihren Rosenkranz und ihren Morgen- und Abendseegen richtig. Das war alles. Doch hatte sie eine so große Anhänglichkeit an Pfaffen, besonders an Franziskanermönche (die bekanntlich aller Orten die allerabergläubigsten und vernunftlosesten sind), daß sie, trotz ihrem Geitze, alles hingab, sobald es Pfaffen [27]galt. Was ihres Amtes war, that sie gehörig und gut, und war übrigens treu und ehrlich, und zeigte in Allem einen richtigen Verstand. Ihr Blut war schwarz und dick, so wie sie es jährlich zweimal aus der Ader ließ. Krank habe ich sie die ganze dreizehn Jahre nur einmal, an einem rheumatischen Zufalle, gesehen.

Was vorzüglich sie auszeichnete, war ein undenkbarer Aberglaube. Keine Geschichte von Gespenstern und Hexen konnte so abgeschmackt seyn, daß sie sie nicht glaubte. Poltergeister, Blutsauger, Besessene, Erdgnomen (unter dem Namen der kleinen Leutchen bekannt, die unter den Heerden wohnen, Kinder austauschen, und hundert andre schöne Sächelchen machen), Engel, die den Menschen zur Seite ständen, und sie vor Gefahren schützten, böse Geister, die den Menschen unsichtbare Netze umwerfen, Wunderkräfte geweihter Lichter und Palmzweige, gegen Donner, Hagel, Pestilenz, und Gott weiß was, Lügen beim Glockenkaufen zur Vermehrung des Klanges, Räthseldeuten beim Lichtgießen, Teufel, die sich in Gestalt von Jägern oder Aerzten mit einem Pferdefuße bei Hochzeiten einschlichen, und während des Tanzes gottlose Bräute stehlen, diese waren der Stoff ihrer Gedanken, ihrer Betrachtungen, und machten einen wesentlichen Theil ihres Glaubens aus. Vor allen Dingen aber beschäftigte sie der Glaube an Hexen, Wahrsagerinnen, Teufelsbanner, Schatzgräber, Konstella-[28]tionen, Talismanne, Wünschelruthen, Chiromantia und Geomantia. Daher denn auch keine Walpurgis, keine Johannisnacht, da sie nicht sollte emsig gebetet, und vorher alle Kreuzwege sorgfältig vermieden haben. Daher abenteuerliche Märchen von Sabbatsorthen, vom Feste mit Bechern aus Eierschaalen u.s.w.*) 1 Segensprechungen, Beschwörungen und Wahrsagungen waren ihr Hauptgegenstand. Wer mit dieser Kunst nicht anzukommen wußte, der durfte sich nur an sie wenden, und er fand Bezahlung. Dafür, und für abergläubige Pfaffen, die sie in ihrem Wahne bestärkten, und ihres Vortheils wegen sich dazu der Religion, als eines Hülfsmittels bedienten, für die sparte sie und entzog sich das Nothwendige. War Etwas im Hause verlohren; so war die Kunst der Koffee- oder Handbeschauerin, unterstützt auch wohl durch eine Messe zum heil. Antonius, der Nessusmantel, in den sie sich barg. Nichts war ihr lieber, als wann sie von solchen Leuten vor Nachstellungen gewarnt wurde, wann ihr gesagt wurde, ihr sei Etwas angethan, und Diese oder Jene sei eine Hexe und ihre Feindin. So wurde sie zuletzt mißtrauisch gegen Jedermann, und glaubte Jeder ginge damit um, sie zu bezaubern. Ich besinne mich, daß ich als Kind ein Vergnügen darin setzte, sie von ihren al-[29]bernen Irrthümern zu überzeugen (mehrentheils wohl um mir durch thätige Beweise den kützelnden Beifall geben zu können, daß ich über diese Thorheiten wäre), allein ich richtete nie Etwas aus. Wer ihr beistimmte, der war ihr angenehm, und nie wurde sie gesprächiger, als wenn von dergleichen Dingen die Rede war, und man sich glaubend stellte. — So lebte sie bis in ihr vierzigstes Jahr, da eine entscheidende Katastrophe sie ihrem 13jährigen Aufenthalte in meinem Hause, und meinen fernern Beobachtungen entzog. Ihr dank ich vorzüglich die Erfahrungen, die ich über die Denkart und die Begriffe des Pöbels gesammelt habe.

Im Sommer des Jahres 85 war es, da ich eines Sonnabends Nachmittage diese abgebrochene Worte vor der Hausthür zischeln hörte: behext ... Keiner mehr was anthun .. dieses Kraut in der rechten Fikke .. Pulver . gut wider böse Menschen ...... auf ihrer Hut . über acht Tage .. großes Unglück in diesem Hause geschehen ..... Länger konnte ich es nicht aushalten, ich merkte was vorginge, und wollte wissen, was da gesprochen würde, aber da wollte keines mit der Sprache heraus. Ich erblickte ein altes schmutziges Weib, das eben beschäftigt war eine Handvoll Geld in die Tasche zu schieben, und die Wundergläubige, die sich mit einem Bündel dürres Kraut und einem Pulver in der Hand, in sichtbarer Verwirrung eiligst entfernte. [30]Die Kanidia ward bald zum Hause hinausgewiesen, und so schien Alles ruhig zu sein. —

Der erste Abend vergieng, Alles war wie gewöhnlich. Den zweiten und dritten Tag aber war sie stiller und mehr in sich gekehrt als gewöhnlich. Die folgenden Tage war ihr Blick schon wild und schielend, und man konnte es ihr ansehen, daß etwas Außerordentliches in ihr vorgehen müßte, doch aber suchte sie durch erkünsteltes Lächeln allen Argwohn zu entfernen, und da man nicht etwas so Schreckliches vermuthete als die Folge zeigte, drang man auch nicht sehr in sie.

Donnerstag zeigten sich schon deutliche Spuren von Verwirrung; alle ihre Geschäfte gingen langwierig und verkehrt von Statten. Mit einer Rechnung, die sie ablegen sollte, konnte sie wider Gewohnheit nicht zu Stande kommen: sie wuste nicht wie viel oder wofür sie Auslagen gemacht, und kurz, je näher der prophetische Tag heranrückte, desto kenntlichere Abdrücke von verwirrtem Verstande zeigten sich. Endlich erschien der Sonnabend, und nun war kein Zweifel mehr übrig, daß es wirklich mit dem richtigen Gebrauch ihrer Vernunft zu Ende sei. — In so weit hatte die Wahrsagerin sich also als Wahrsagerin bewiesen, und wenn es sich wirklich so mit allen Prophezeiungen verhält, daß Begebenheiten nicht voraus gesagt wurden, weil sie geschehen sollten, sondern daß sie geschehen, weil sie voraus gesagt worden; so beuge ich mein Haupt [31]vor dem Munde, der sie erzählte, und bekenne mich nur zu gerne als Glaubensjünger.

Gleich am Morgen zeigte sich ihre Narrheit, und erreichte gegen die Nacht den höchsten Grad. — Die erste Handlung, wodurch sie ihren Vernunftmangel verrieth, war, daß sie einen Korb, der weggeholt werden sollte, vor die Hausthür setzte. Als man sie fragte, was das bedeute, und sie erinnerte, der Korb könnte gestolen werden, antwortete sie: er möchte nur immer stehen bleiben; der ihn holen sollte, würde sicher kommen, und Niemand würde ihn stehlen; und bei dieser Behauptung blieb sie schlechterdings, sagte doch aber nichts dazu, da man ihn hineinnahm. — Sie ging hierauf aus, und kam mit drei Paar Hünern nach Hause. Sie hätte, sagte sie, vier Paar gekauft, aber nur für drei bezahlt. Als man sie fragte, wo denn das vierte Paar wäre? gab sie trocken zur Antwort, sie wären weggeflogen. — Man überhob sie jetzt ihrer fernern Geschäften und wartete den Abend ab. Es war alles bis dahin ruhig. Gegen 8 Uhr aber fing sie von neuem, und zwar mit verdoppelter Heftigkeit, an, ihre Narrheit zu zeigen. Auf die Bereitung des Abendessens verwandte sie, unter ängstlicher verworrener Geschäftigkeit, wenigstens dreimal so viel Zeit als nöthig war, brachte es aber doch noch so ziemlich zu Stande, außer einer Speise, wo sie zu acht malen Eier hineinthat. — So wurde es von den andern Dienstboten erzählt. — [32]Als es nachher darauf ankam, daß einige Hüner sollten geschlachtet werden, konnte sie sich durchaus nicht zu dieser Unternehmung entschließen, sie versuchte es zwar aus Gehorsam, wetzte auch schon das Messer; allein der Abscheu dagegen war doch so stark bei ihr, daß sie sich zuletzt genöthigt sah, zu ihrer Gebieterin zu gehen, und gerade heraus zu erklären, sie würde dieses Geschäft nicht verrichten. — Nun schwieg man nicht länger, und deutete ihr geradezu an, sie wäre krank. Das wollte sie nicht zugeben, ihr schade nichts, sagte sie, sie sei ganz gesund. Dabei sah sie erhitzt und aufgetrieben aus, die Augen funkelten, sie war unruhig, seufzte, und fing an zu wimmern.

Man wollte ihr ein antiphlogistisches Pulver geben, allein dazu war sie nicht zu bewegen, und gab zu verstehen, es möchte wohl Gift seyn. Man rieth ihr eine Aderläße, allein sie erwiederte, es wäre ihr heute unmöglich Blut zu sehen. — Da man nichts mit ihr ausrichten konnte, entließ man sie endlich. Nun fing sie an im Hause herumzuwandern, ächzte und wimmerte ohne Aufhören, und ließ zwischenein abgebrochene Worte hören: Ach Gott! welches Gesause? wie's dort pfeift! hört Ihr nicht? — Dabei wollte sie keinen Menschen zum Hause hinauslassen; dort geradeüber, sagte sie, stände er, und wer sich hinauswagte, dem würde er auf alle Fälle den Hals umdrehen, und zeigte dabei auf einen ehrlichen Krämerburschen, der vor seiner [33]Bude stand. Da es doch aber eines Fensterladens wegen nöthig war, daß jemand hinausgieng, entschloß sie sich am Ende lieber selbst dazu, als daß sie einen andern der Gefahr aussetzen wollte, wapnete sich mit einigen Kreutzzeichen, sprengte geweihtes Wasser, seegnete den Fußboden, und gieng nun entschlossen hinaus. Als sie wieder hereinkam, begann sie von Neuem zu ächzen und zu wimmern. — So trieb sie es die ganze Nacht hindurch, und kam da es tagte, zu fragen, ob die Hüner getödtet werden sollten. Man antwortete nicht, und sie war still. — Als es Morgen war, hatte man ein sonderbares Schauspiel. Ueberall, wo man hinsah, fand man Kreutze. Alle Werkzeuge in der Küche, alle Besen, alle Stöcke im ganzen Hause waren kreutzweise gestellt, der ganze Weg, wo sie die Nacht gegangen war, von der Hausthür an, bis hinten in die Küche, war mit Kreidekreutzen besäet, der Schornstein, der ganze Feuerheerd, die Wände, alle Stuffen der Treppen, alles, ja sie selbst sogar, von Kopf bis Fuß, an Kleidungsstücken und Gesicht und Armen war mit Kreutzen dicht beschrieben. — Wahrhaftig ein auffallender Anblick!

Nachdem die Nacht vorbei war, schien sie ruhiger. Man konnte mit ihr sprechen und ihr Rath ertheilen, auch sie glauben machen, daß sie krank sey. Sie äußerte »es wäre ihr unmöglich, länger in diesem Hause zu bleiben,« und folgte also dem [´34]Rathe, noch denselben Morgen zu einer alten Verwandtin zu ziehen. Hier, hofte man, sollte sie Ruhe erlangen, allein da führte der Teufel, wie er denn immer sein Spiel hat, einen schwärmerischen Mönch her, der über die Besessene den Exorcismum zu halten anfieng, Reliquien auflegte, Weihwasser sprützte und Amulete umhieng. War sie ruhig geworden, was konnte anders kommen, als daß sie von Neuem in Angst gesetzt wurde? und auch gleich liefen alle Nachbarinnen zusammen, und bethörten sie mit ihrem Geschrei: ja sie wäre besessen, sie wäre besessen! Doch mag dieses eben keine große Wirkung gehabt haben; eine Aderlässe that das Beste. — Ehe drei Tage vorbei waren, kam sie heiter und fröhlichen Muthes wieder in ihre alte Heimath, sagte: sie wäre nun ganz gesund, und wünsche nichts, als nur bei ihrer Herrschaft wieder zu seyn. Allein, kaum waren ein Paar Tage hingegangen; so sprach sie doch schon wieder von Toben und Pfeiffen und Teufeln. Man hielt also für das Beste sie auf immerdar aus dem Hause zu entfernen, darin sie den Grund zu ihrem Unglücke gelegt hatte. Sie gieng also wieder zu ihrer alten Base, wo sie auch noch gesund, aber immer still und in sich gekehrt lebt. Zuweilen beklagt sie sich noch über ihr Schicksal, und giebt dann immer dem Hause Schuld, darin es sie betroffen. Frägt man sie aber, was sie eigentlich unter dem Hause verstehe; so kommt nie eine deutliche Antwort heraus. Menschen, [35]sagt sie, wären's nicht, die ihr dieses Unglück zugezogen hätten, sondern das Haus; und das ist alles so weit sie sich erklärt.


Alles dieses, so wie ich es erzählt habe, steht mir noch so neu vor den Augen, als ob es heute erst geschehen wäre. Mein Gedächtniß ist mir treu, und ich kann mich also darauf verlassen. Noch hundert andre kleine Umstände hätt' ich anführen können, wenn ich ihrem geringern Werthe Gedult des Lesers und Zeit hätte nachsetzen wollen. —

Wenn ich den ganzen Zusammenhang dieser Geschichte betrachte, ist mir nichts wahrscheinlicher, als daß diese Unglückliche sich unter dem prophezeiten Unglücke kein andres vorgestellt habe, als »das Haus würde von Teufeln besessen werden;« denn man bedenke, daß diese der vornehmste Gegenstand ihrer Gedanken waren, daß daher bei einem prophezeiten Unglücke, und zwar großen Unglücke — der schrecklichste Gedanke, den ein Mensch haben kann — diese Idee sicher die erste gewesen seyn muß, die sich ihr darbot, und am festesten sich bei ihr muß eingewurzelt haben; man bedenke den Umstand, da sie den Krämerburschen für den Teufel ansah — denn für den hat sie ihn sicher gehalten; wie hätte sie sonst blos gesagt: dort steht er, ohne ihm einen Nahmen zu geben? wie hätte sie von Hals-[36]umdrehen gesprochen? wie hätte sie endlich gerade die Mittel gebraucht, die zur Bannung des Teufels, wie ich von meinem Katecheten weiß, die wirksamsten sind: geweihtes Wasser und das Zeichen des Kreutzes? — Man bedenke ferner die unzähligen Kreutze, die sie aller Orten und an sich selbst geschrieben hatte. Man bedenke, daß sie von Sausen und Pfeiffen sprach, man bedenke endlich, daß sie nicht Menschen, sondern dem Hause die Schuld ihres Unglücks beimaß; so wird wohl kein Zweifel übrig bleiben, daß sie sich unter dem gefürchteten Unglücke eine Besitzung von Teufeln vorgestellt habe. — Und nun, welche Angst, welche unbeschreibliche nagende Angst muß bei solchen Gedanken in ihrem Innern gewühlt haben? Man stelle sich's vor, wie sie zuerst über die Art des kommenden Unglücks Muthmaßungen angestellt, wie die Ideen von Teufeln, von ewiger Verdammung, von Hölle, in aller der Grobheit der reinsten Orthodoxie, mit allen Schrecken, die ihnen eine entflammte Phantasie geben kann, sich in immer stärkern und stärkern Zügen ihrer Seele dargestellt, welche scheußliche Bilder, welche gräßliche Phantome! — — ich mag ihnen nicht folgen. — Man wird sich nicht länger über die Wirkung dieser Prophezeiung wundern, und die Unglückliche bedauern, die den Wahn alter Schwärmerei so herbe büßen mußte, aber auch zugleich aufmerksam gemacht werden, einem Unwesen Mauern zu setzen, das solche Verwüstungen in den [37]Seelen der Mitbürger anzurichten vermag. Glücklich will ich mich schätzen, wenn ich durch diese Erzählung die Aufmerksamkeit guter Männer erregen sollte, in deren Händen die Verwaltung bürgerlicher Geschäfte ruht. Und, o Gott! danken wollte ich's dir mit heißen Thränen, wenn ich das Bewußtseyn haben könnte, schon durch die erste Frucht meiner Bemühungen meinen Nebenmenschen, wenn auch nur wenigen, nützlich geworden zu seyn! —

Man erlaube mir, nun noch ein Paar Bemerkungen über einige Scenen in der erzählten Begebenheit herzusetzen. Man kann es deutlich sehen, wie die Narrheit hier von Tage zu Tage gewachsen, und wie wenig Zeit dazu gehörte, einen Verstand zu verwirren. Diese Kürze der Zeit, und die Schrecklichkeit der Ideen, die diesen Zustand veranlaßten, geben zu vermuthen, daß die arme Unglückliche keinen Augenblick Rast gehabt habe.

Eigen war es, daß, da ich den Donnerstag, um sie näher zu beleuchten, mit der Frage das Gespräch anspinnen wollte: was doch letzthin die alte Frau mit ihr gesprochen? sie mir mit einer Art von Wuth zur Antwort gab, ich möchte ihr von dem verfluchten Weibe schweigen; die wär' es nur eben, die an Allem Schuld wäre. Es scheint dieses ein ordentliches fluidum intervallum gewesen zu seyn. Sie muß hier doch gefühlt haben, daß sie [38]thöricht dächte, und daß sie sich in einem ungewöhnlichen und unglücklichen Zustande befände. Allein wer weiß durch was für heftige äußere Veranlassungen diese Einsicht bei ihr hervorgebracht worden. Sie stand beim Feuer; vielleicht daß, durch die Reitze von Licht und Hitze, ihre Organe thätig wurden, sie auf andre Gegenstände aufmerksam, und so in ihrem Nachdenken zerstreut ward, u.s.w.

Den Eigensinn, den sie bei dem Auftritte mit dem Korbe bewies, glaube ich blos davon herleiten zu können, daß sie, um allen Argwohn von Verrückung zu verhindern, zeigen wollte, sie habe es mit guter Ueberlegung gethan. Sie schwieg auch still, da man weiter nichts darüber erwähnte.

Man wird finden, daß sie besonders sehr die Hüner beschäftigten. Sie glaubte Basiliske; sollte das etwa die Ursache gewesen seyn? oder sollte es sich von dem Gedanken hergeschrieben haben: sieh, die sollst du heute tödten!

Betrachten wir diese Geschichte als Beispiel für meine obigen Sätze; so werden wir darin, wie ich glaube, Bestätigungen genug für dieselben finden. — Wann fieng diese Person an, eine Närrin zu werden? den letzten Tag? nein! den Tag, da die Wahrsagerin zu ihr kam; aber welcher Mensch, der solche Ideen nicht schon vorher immer zu seinem Hauptgegenstande gemacht hätte, wäre wohl [39]dadurch zum Narren geworden? Mußte man sie in Absicht auf diesen Punkt also nicht schon ihr ganzes Leben hindurch eine Närrin heißen? und doch, wer hätte es gewagt, sie so lange von der Zahl vernünftiger Menschen auszuschließen? — also —

Weiter will ich der eignen Beurtheilung des Lesers nicht vorgreifen. Aber Folgerungen herzuleiten, giebt diese Erzählung Stoff genug. Die alten Zeiten sind vorbei, da Sterndeutung und Zauberei noch galten, da an Schwarzkünstler und Pfaffen noch der menschliche Verstand zu gleichen Rechten verpachtet war. Jetzt ist ihre Macht gedämpft, ihre Schattenbilder hat die Zeit verlöscht. Jene Meister sind nicht mehr, die Menschenseelen gefesselt hielten, und über ihren Verstand das Scepter schwungen. Ihre Gebeine drückt das Grab und die lange Vergessenheit. Wir sind besser als unsre Väter, uns lohnt das Schicksal mit Licht und mit Freiheit. Wir, entfesselt von dem Joche unsrer Ahnen, schlürfen mit vollen Zügen Aufklärung ein, und, begeistert von ihrer Kraft, fühlen wir uns selbst stark genug, eigne Systeme zu weben, eigne Gänge uns zu hauen zu dem Verborgenen, zu dem das unsre schaffende Seele uns weissagt, das in ihr ruht, und das sie noch nie außer sich wahrnahm. — O kehrt nur wieder aus Euern Grä-[40]bern, kehrt nur wieder Ihr Weisen der Vorzeit und des romantischen Mittelalters! Ihr findet eine treffliche Werkstätte, darin Ihr arbeiten könnt! Helfet Euern Enkeln mit euerm Geiste; so werden Zoroaster und Fludd und Apollonius und Faust, und Parazelsus und Hermes und Böhm und Agrippa, den Lohn ihrer verkannten Verdienste wiederfinden, Höllenzwang und Clavicula Salomonis, und Nathael und Tetragrammaton und Ach, werden wiederum leben, und den Menschen den verfehlten Weg zur Glückseeligkeit zurückführen, und Nigromantie und Astrologie die Tyrannen seyn, vor denen sich unsre Zeitgenossen in den Staub beugen. —

Fußnoten:

1: *) Vielleicht der Vallholl der Barden, wo aus Muschelschaalen getrunken ward.