Herausgegeben von: Karl Philipp Moritz, Karl Friedrich Pockels und Salomon Maimon
Digitale Edition herausgegeben von Sheila Dickson und Christof Wingertszahn
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Wenn irgend etwas verdient, psychologisch betrachtet zu werden, so sind es die Lehren der Mystik, welche auf die Gemüther der Menschen einen so erstaunlichen Einfluß von jeher gehabt haben, und noch haben.
Dieses Einflusses wegen sind sie schon der Betrachtung werth — da insbesondere die höhere Mystik gar keine Reize für die Einbildungskraft hat, sondern vielmehr alle Bilder selbst erst aus der Seele vertilgt wissen will, ehe das eigentliche Licht darin erscheinen kann, welches denn auch wieder mehr eine verzehrende als wohlthätige Flamme ist.
Dergleichen Dinge mit Machtsprüchen an die Seite zu werfen, führt uns nicht weiter; denn sie kommen dadurch nicht an die Seite, sondern bleiben immer auf ihrer Stelle liegen, und hemmen den Weg.
So viel leuchtet freilich ein, daß die Mystik schon deswegen keinen festen Grund haben könne, weil sie die übrigen reellen menschlichen Kenntnisse und Wissenschaften nicht voraus setzt, sondern gleich das Resultat vorwegnimmt.
[76]Es ist gleichsam eine Metaphisik ohne Physik — ein Etwas, das über einem Abgrunde schwebt und gaukelt, aber doch immer ein Etwas bleibt, woran zu zarte Gemüther sich gern festhalten mögen, weil sie durch das gröbere Irrdische sich durchzuarbeiten scheuen; weil sie von der Menschenmasse gedrückt werden, und nun auf einmal ganz isolirt, in einer schönen Einsamkeit sich wiederfinden. —
(Die Fortsetzung folgt.)