ΓΝΩΘΙ ΣΑΥΤΟΝ oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde

Herausgegeben von: Karl Philipp Moritz, Karl Friedrich Pockels und Salomon Maimon
Digitale Edition herausgegeben von Sheila Dickson und Christof Wingertszahn


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Materialien zu einem analytischen Versuche über die Leidenschaften.

Pockels, Carl Friedrich

Siehe das 3te Stück des 5ten Bandes dieses Magazins.
Fortsetzung.

Eifersucht.

Dieser Affect, welcher so oft die sonderbarsten und seltsamsten Erscheinungen im Gebiete menschlicher Empfindungen veranlaßt, die klügsten Menschen verblendet, die gütigsten Herzen barbarisch und grausam macht, und wenn er heftig ist und lange dauert, der Seele und dem moralischen Charakter nicht selten eine ganz neue, unerwartete Richtung giebt, ist ein Gemisch von Neid und beleidigter Selbstliebe. Wir gönnen dem andern die Gunstbezeigungen nicht, welche der geliebte Gegenstand jenem erzeigt, oder zu erzeigen scheint, und fühlen uns gleichsam beleidigt, daß wir jene Gunstbezeugungen mit andern theilen, oder daß wir wegen eines andern, der mehr gefällt, als wir, sie gar verliehren sollen.

[53]

Wir sind gewohnt das, was wir lieben, selbst wenn wir es nicht besitzen, und nicht besitzen können, für eine Art unsers Eigenthums zu halten. Eine Erscheinung, die daher rührt, daß das beständige Andenken an den geliebten Gegenstand, die Sorge und Bemühung für seine glückliche Fortdauer, die Theilnahme an seinen Veränderungen, und vielleicht nur ein geistiger Umgang mit demselben uns ein Recht auf denselben zu geben scheint, und ihn gleichsam in alle unsre Gefühle und Gedanken hinein webt; — oder auch mit daher, daß sich der geliebte Gegenstand auf irgend eine Art uns selbst als Eigenthum dargeboten hat, und wir über seine Empfindungen und Handlungen herrschen können. Jemehr und zärtlicher wir lieben, jemehr betrachten wir den geliebten Gegenstand als etwas, das uns zugehört, und jemehr fürchten wir denn auch, ihn zu verliehren, selbst dann noch, wenn kein reeller Grund dieser Furcht vorhanden ist, und vorhanden seyn kann. Betrachten wir jenen Gegenstand nicht mehr als unser Eigenthum, wird unsre Eigenliebe nicht mehr in sein Interesse hineingezogen; so beneiden wir auch den nicht, welcher ihn besizt; ja wir beklagen ihn wohl gar, wenn wir einsehen, daß der Besitz desselben ihn nicht glüklich machen könne, und freuen uns nicht selten, wenn wir alle vorige Verbindungen mit dem nun nicht mehr geliebten Gegenstande aufheben dürfen.

[54]

Ich will hier keine ausführliche Abhandlung über die Eifersucht, sondern nur wieder Materialien zur nähern Kenntniß dieser Leidenschaft liefern, um meinen Lesern neuen Stoff zum weitern Nachdenken zu geben. Uebrigens ist, wie ich glaube, auch in diesen Materialien nichts enthalten, was sich nicht aus der Erfahrung, dieser Grundquelle aller psychologischen Beobachtungen, und aus der Natur des menschlichen Willens darthun läßt.

a) Der psychologische Grund der Eifersucht ist vornehmlich die Liebe; von dieser empfängt sie ihre verschiedenen Modificationen, so wie auch vom Temperament, Zeitumständen, Alter und der Verschiedenheit der Einbildungskraft, welche bei dem Eifersüchtigen so erstaunlich reizbar ist. Doch kann man nicht allgemein sagen, daß wir den Gegenstand auch würcklich allemahl lieben müßten, auf welchen wir eifersüchtig sind. Da bei der Eifersucht unsre Eigenliebe gemeiniglich und nicht selten ganz allein interressirt ist; so können wir gegen Personen eifersüchtig seyn, die uns längst nicht mehr zur Liebe gereizt haben, deren Zuneigung aber gegen uns doch immer noch etwas Schmeichelhaftes für uns bleibt. Es kommt uns so vor, als ob wir immer noch ein Recht auf denjenigen behielten, welcher einstmahls unsre Zuneigung erregt, und unser Herz besessen hat, wir erinneren uns noch mit Vergnügen der angenehmen Augenblicke, die wir [55]durch den Umgang mit ihm genossen, der Schwierigkeiten die wir einst dabei überwanden, und der vergangenen Liebe überhaupt, die uns oft lange nach ihrem Ende mit einer innern Wonne erfüllt, wenn wir gleich sie hinterher zu bereuen Ursach hatten. Ueberdem geschieht es sehr oft, daß uns der vorhergeliebte Gegenstand, wenn wir gleich keine Empfindungen mehr für denselben zu haben scheinen, wenn er uns ganz gleichgültig geworden ist, bisweilen noch von seinen liebenswürdigen Seiten, und nur von diesen erscheint. Die vorige Liebe kehrt durch eine Täuschung unsrer Gefühle und mit ihr die Eifersucht wieder zurück.

Leute die sich einander geliebt haben, und endlich durch allerlei Umstände gegen einander gleichgültig geworden sind, empfinden sonderlich bei einem lebhaften Temperament jene Widerkehr der Leidenschaft nicht selten mit einem innern Gefühl von Wehmuth, und bereuen es dem geliebten Gegenstande auf irgend eine Art Gelegenheit zur Erkaltung der Liebe gegeben zu haben, und dieß geht oft so weit, daß man lieber ein Unrecht von der geliebten Person ertragen zu haben wünscht, als daß man dagegen empfindlich geschienen hat.

b) Es giebt Fälle, wo wir selbst gegen diejenigen Personen einen Grad der Eifersucht empfinden, die wir hassen. Wir sind in unsrer Eigenliebe oft [56] so ungnügsam, daß wir doch von andern eine Art Zuneigung erwarten, gegen welche wir aufgebracht sind, und daß eben diese Menschen unsre Eifersucht rege machen wenn sie nicht uns, sondern andern jene Zuneigung zu erkennen geben. Noch leichter läßt sich jener eifersüchtige Haß erklären, wenn eine würkliche Liebe vorhergegangen ist, die in der Seele versteckte Spuren ihrer vorigen Gewalt zurück gelassen hat. Durch persönliche und andere Beleidigungen, durch getäuschte Hofnungen und Bilder, die wir uns von den vortreflichen Eigenschaften eines Frauenzimmers gemacht haben, durch eine vielleicht sehr zufällige Umstimmung unsrer Denkungsart und Gefühle, vielleicht auch durch ein Uebermaas unsrer Lieblingsleidenschaft selbst, sind wir gegen den geliebten Gegenstand auf einmahl gleichgültig geworden, aus dieser Gleichgültigkeit ist bald Kälte, und endlich durch eine wichtig hinzu gekommene Ursach ein würklicher Haß entstanden, der vielleicht um so stärker geworden ist, je heftiger die vorhergehende Liebe gewesen war. Alle heftige Leidenschaften dauren nicht lange, und die Zeit stumpft ihre Würkungen ab. — Der Haß nimt nach und nach wieder ab, die ersten Eindrücke der Hitze verlieren sich, die täuschende Geschlechtsliebe mischt sich wieder ein, und so schwankt die Seele zwischen einem Gefühl von Zärtlichkeit, das sie sich gern verbergen möchte, und eine stille Eifersucht erzeugt, und zwischen dem entstan-[57]denen Haß, bis entweder dieser oder jene die Oberhand behält. Ist der Haß von der Art, daß er sich durch ein Opfer von Demüthigung und Nachgeben besänftigen läßt, oder bloß daher entstand, weil der geliebte Gegenstand die uns gebührende Hochachtung aus den Augen sezte; so wird die heimlich versteckte Liebe stets mit einer stillen Eifersucht auf jenen Gegenstand zurückblicken. Oft kann es aber auch geschehen, daß wir eine Person darum zu hassen anfangen, weil wir sie nicht ohne eine gerechte Eifersucht lieben können, und weil sie uns zu viel Gelegenheit zu dieser äußerst lästigen Leidenschaft giebt.

c) So wahr die vorhergehende Bemerkung und Erfahrung ist, so gewöhnlich ist auch auf der andern Seite die Erscheinung, daß eine entstandene Jalousie die gleichgültigen Herzen wieder erwärmt, und die abnehmende Zärtlichkeit stärckt. Eine Erfahrung, der sich die weibliche Coquetterie oft so meisterlich gegen unser Geschlecht zu bedienen pflegt. Auf das, was wir mit Sicherheit besitzen, oder zu besitzen glauben, wenden wir nicht die Sorgfalt und Aufmerksamkeit an, die wir bei Gegenständen anwenden, die wir zu verliehren glauben. Die gleichgültigsten Dinge werden uns wieder wichtig, wenn man uns ihren Besitz streitig machen will, zu mahl wenn unsere Ehre darunter leidet, sie würklich verlohren zu haben. Vielleicht ist uns auch weniger daran gelegen eine Person [58]würcklich zu besitzen, als der Welt zu zeigen, daß wir uns in ihrem Besitze zu erhalten wissen, und in diesem Falle ist die Jalousie mit ein Werk der Eitelkeit.

Zu dem Betragen eines eifersüchtigen Ehemannes gegen seine Gattinn wird eine große Klugheit erfodert, wenn er durch seine Eifersucht mehr gewinnen, als verliehren will, und hier können hundert Fälle eintreten, wo die weibliche Zärtlichkeit durch die Jalousie des Gatten mehr ab als zu nimt. Wenn gleich allgemein genommen es der weiblichen Eitelkeit immer schmeichelt, wenn ein andrer eifersüchtig ist; so bleibts doch immer auch etwas gefährliches, der weiblichen Zärtlichkeit gegen andre zu enge Gränzen zu setzen, was bei der Eifersucht offenbahr geschieht. Das ängstliche Auflauren des Ehemannes auf alle Blicke, Mienen, Worte und Handlungen seiner Gattinn, die oft sehr sonderbare Proben von Mißtrauen, die er ihr giebt, die sichtbare Verachtung desselben gegen die, welche er in Verdacht hat, die Plumpheit und Undelicatesse, mit welcher er seine Gattinn einzuschränken und von dem Umgange mit ihren Verehrern zurückzuziehen sucht, werden das Weib nur desto mehr reizen und vielleicht wohl gar auf die Gedanken von Hintergehungen bringen, auf die sie ohne die ungeschikte Eifersucht ihres Mannes vielleicht nie gefallen seyn würde. Unzählig oft ist [59]es besser, die kleinen Coquetterien seiner Gattinn gegen andere nicht zu bemerken, und lieber im Stillen zu leiden, als jene durch äußere Ausbrüche der Jalousie aufzubringen — denn ein Eifersüchtiger Ehemann bleibt für ein vernünftiges Weib ein lästiges und sehr lächerliches Ding, und wehe dem Manne! der seinem Weibe augenblicklich in einer lächerlichen Gestalt erscheint, selbst wenn er aus Liebe diese lächerliche Gestalt angenommen hat.

d) Man wird fast allgemein bemerken, daß diejenigen Mannspersonen oder Frauenzimmer am leichtesten zur Eifersucht geneigt sind, welche sonst andern viel Gelegenheit zur Jalousie gegeben haben. Die Sache ist sehr natürlich, sie haben Proben gemacht, und erfahren, wie leicht das menschliche Herz durch die Liebe hintergangen werden kann, und wie leicht sich oft die vesteste Tugend in die Arme eines Liebhabers oder eines verführerischen Weibes wirft. Sie fürchten, daß ihnen eine Art von Wiedervergeltungsrecht geschehen möchte, und weil ihrer Seele stets eine Menge von verliebten Abentheuern und Romanen vorschwebt; so glauben sie alle Augenblick, daß ihnen von dem geliebten Gegenstande ähnliche Streiche gespielt werden könnten.

e) Die verschiedenen Grade der Eifersucht hängen von sehr vielen Ursachen ab, die theils in [60]der physischen, theils moralischen Natur und in den äußern Verhältnissen unsrer Lage ihren Grund haben. Das Clima hat einen sichtbaren Einfluß auf diese Leidenschaft. In den kältern Zonen der Erde, wo das Blut der Bewohner sehr frostig ist, und die Kälte die Lebhaftigkeit zärtlicher Empfindungen hindert, biethen die Männer ihre Frauen den ankommenden Fremden freiwillig an, und nehmen es sehr übel, wenn man sie verschmähet; im Orient hingegen wo die Hitze des Bluts viel größer ist, und die Liebe beider Geschlechter so leicht über alle Gränzen ausschweift, ist auch die Eifersucht der Mannes- und Frauenspersonen viel heftiger. Dort verbietet sie den Weibern, mit offenen Gesichte zu erscheinen, und schließt sie in einsame Harems ein. Doch kann es auch noch einen andern Grund von den verschiedenen Graden der Eifersucht zwischen den nordlichen und südlichen Erdbewohnern geben, als das Clima. Die Frauen der Samojeden, Zemblaner, Boromdier, Lappen, Grönländer und Esquimaux sind sehr häßlich, und flößen leichter einen Ekel als eine Zuneigung gegen sie ein, die Männer derselben haben also keine Ursach, eifersüchtig auf sie zu werden, sondern können es als eine Ehre ansehn, wenn ihre schmutzigen und häßlichen Geschenke nicht zurück gewiesen werden. Hingegen zeichnen sich die Weiber der Türken, Perser und Chineser, wo die Jalousie oft bis zu den lächerlichsten Narrheiten steigt, durch eine blendende [61]Schönheit aus, und bei solchen Weibern, die ohnehin so sehr zum sinnlichen Genusse vermöge der Hitze ihres Bluts geneigt sind, haben sie denn freilich alles zu befürchten, was auch in Italien und Spanien der Fall ist, wo die Banditen größtentheils von eifersüchtigen Ehemännern ihren Unterhalt bekommen.

f) Es ist eine sonderbare Erscheinung, daß die wärmste und herzlichste Freundschaft, durch nichts leichter getrennet werden kann, als wenn ein Freund auf den andern eifersüchtig zu werden anfängt. Ich habe hierin die geschicktesten Köpfe fehlen gesehen; ein Beweis, daß die erhabensten und edelsten Zuneigungen gegen andre weichen müssen, wenn die Liebe die Herrschaft in der Seele führt. Der Freund, den wir vorher herzlich liebten, dessen Talente wir schäzten, dessen Umgang uns lieber, als alles in der Welt war, für den wir das Leben gelassen hätten, und an dem wir vielleicht gar nichts schlechtes und unvollkommnes sahen, erscheint uns durch das Verkleinerungsglas der Eifersucht betrachtet, auf einmal in einem ganz andern Lichte, er wird erst ein Gegenstand der Gleichgültigkeit für uns, seine Schiksale rühren uns weniger als vorher, wir nehmen nur noch schwachen Antheil an seinem Glück, bis wir ihn endlich wohl gar zu hassen und zu verachten anfangen. Wir wollen es der Welt nicht gern wissen lassen, daß uns eine närrische Ei-[62]fersucht gegen ihn kalt gemacht hat, wir suchen Entschuldigungen auf und finden sie in irgend einem Fehler desselben, so klein er auch immer seyn mag, und so leicht wir sonst darüber wegsehen. Es kostet uns nun nicht mehr Ueberwindung, von diesem Fehler mit andern zu reden, und ihn durch eine zweideutige Darstellung noch schwärzer zu machen. Es gereuet uns, daß wir mit einem Manne sonst einen so vertrauten Umgang gehalten haben, der uns so schlecht zu belohnen scheint, wir können mit einer heimlichen Freude daran denken und wünschen, daß er gar nicht vorhanden seyn möge, und wir werden es mit Vergnügen hören, wenn uns der Arzt seine Krankheit als gefährlich schildert. Sehr ungerecht und unverständig handelt der Eifersüchtige gemeiniglich darin, daß er den Gegenstand seiner Jalousie in Gegenwart seiner Gattinn oder Geliebten so schwarz abzumahlen sucht, als es nur möglich ist. Man will dadurch den Eindruk auslöschen, welchen er auf das weibliche Herz gemacht hat, oder ihn verhindern, wenn es noch nicht davon eingenommen ist, obgleich dies die Aufmerksamkeit des Frauenzimmers auf jenen Gegenstand oft mehr reizt als unterdrückt. Wir sehen es gern, wenn andre von unserm vorigen Freunde lieblos sprechen, und gewinnen die gewisser maßen lieb, die es thun. Jede Heruntersetzung desselben scheint für uns ein Gewinn zu seyn, so wie wir durch jedes Lob desselben, sonderlich wenn es unsre Geliebte hört, etwas zu verliehren glauben.

[63]

g) Noch heftiger und wüthender wird der Haß des Gemüths, wenn eine Freundin auf die andre eifersüchtig zu seyn Ursach zu haben glaubt. Alle Freundschaft und Vertraulichkeit wird denn gemeiniglich auf einmal abgebrochen, alles Gute wird an der Freundinn verkannt, alle Fehler in das helleste Licht gestellet. Nie ist die Medisance wortreicher, lauter, beißender, giftiger als bei einem eifersüchtigen Frauenzimmer, zumal wenn ihr die Reitze fehlen, wodurch der entwischte Liebhaber noch aufgehalten werden könnte, und durch nichts läuft der Verstand der klügsten Weiber leichter davon, als durch jenen wilden Affect. — Ueberhaupt möchte ich behaupten, daß das andre Geschlecht viel eifersüchtiger, als das unsrige ist, weil alle seine Leidenschaften eine größere Lebhaftigkeit haben, und weil es eitler, als das unsrige ist, folglich durchaus nicht gern etwas verliehren mag, was sein feines Ehrgefühl unterhält. Die Geschichte der Menschheit zeigt uns unzählige Beispiele von den heftigen Ausbrüchen der weiblichen Eifersucht, vielleicht hat keine Leidenschaft des menschlichen Gemüths so fürchterliche Ränke, solch eine schrekliche Rachsucht, und so viel unerhörte Bosheiten ersonnen, als die weibliche Jalousie. Wie oft hat sie Unschuldige ermordet, blühende Familien ins größte Elend hinabgestürzt, ewigen Hader zwischen sich liebenden Gatten und Freunden gestiftet! Ihr höchster Grad war wohl der, wenn sie selbst die, die [64]sie liebte, mit langsamer Ueberlegung hinzurichten suchte.

»Wenn sich die Eifersucht, sagt Montaigne, von den Frauenzimmern, dieser armen, schwachen und ohnmächtigen Seelen bemächtigt, so ist es erbärmlich, wie grausam und tyrannisch sie dieselben hin und her reißt. Sie schleicht bei ihnen unter dem Namen der Freundschaft ein, allein, wenn sie dieselben einmal in ihrer Gewalt hat, so wird eben das, was sie sonst liebreich machte, die Ursache des grausamsten Hasses. Unter allen Krankheiten der Seele findet keine mehrere Nahrung und weniger Hülfsmittel, als diese. Die Gesundheit, die Verdienste und der Ruhm eines Mannes selbst geben zu ihrer Feindseligkeit und Raserei Anlaß. — Dieses Fieber verunstaltet und verdirbt alles Schöne und Gute, was sie sonst an sich haben. Eine eifersüchtige Frau mag noch so schön und zurükhaltend seyn, so scheinen doch alle ihre Handlungen feindselig und ungestüm. Eine rasende Unruhe bringt sie auf lauter Ausschweifungen, wodurch sie freilich ihre Sache immer noch ärger macht.«

Ich führe zur Bestätigung der vorhergehenden Bemerkungen noch eine Stelle aus einem Buche an, welches voll von vortreflichen psychologischen Bemerkungen zu Entwicklungen unserer Leidenschaften ist, und vom gelehrten Publicum nicht so viel gelesen worden ist, als es verdient, nemlich aus Ewalds [65]Schrift über das menschliche Herz. Theil 3. Seite 128. a

»Wer die Macht der Eifersucht aus eigener Erfahrung kennt, wird gestehen, daß sie die schrecklichste unter allen Leidenschaften und diejenige Empfindung sey, welche nach der Marter der Todesangst den ersten Platz behauptet. Ich betrachte sie hier nach ihrem höchsten Grade, und nach ihrem weitesten Umfange. Hier hat sie die heftigste Liebe, das heftigste Verlangen nach dem Besitz einer geliebten Person zum Grunde, von welcher wir glauben, daß sie uns nicht wieder liebe, unsre Neigung zu ihr verschmähe, und dabei eine andre Person liebe, nach deren Besitz und Genuß sie sich sehne. Dieser Gedanke stürzt uns in den tiefsten Gram, und erfüllt uns mit der heftigsten Unruhe und Angst. Die Heftigkeit dieser Leidenschaft entstehet dadurch, daß sich mehrere Leidenschaften in ihr vereinigen und gemeinschaftlich das menschliche Herz bestürmen. Hier ist das heiseste Verlangen nach dem Besitz des geliebten Gegenstandes, die heftigste Furcht, ihn zu verlieren, und in den Armen eines andern zu sehen, die Empfindung verschmähter Liebe; des beleidigten Ehrgeitzes, fehlgeschlagener Bemühungen und Erwartungen, Rache gegen den, dem der geliebte Gegenstand den Vorzug vor uns giebt, oder der sich um die Gunst desselben zu bewerben scheint. In der Einsamkeit, [66]oder unter Umständen, wo wir unsrer Leidenschaft keinen freien Ausgang verstatten können und dürfen, würken alle jene Empfindungen und Leidenschaften, die die Eifersucht erzeugen, mit vereinigten Kräften in uns; unser Herz ist beklemmt und zusammengepreßt, wir verändern unsere Gesichtsfarbe, sind äußerst niedergeschlagen und traurig, seufzen, und bemühen uns oft vergeblich in unsern Augen die Thränen zurück zu halten; wir zittern, und sind in größter Verlegenheit und Zerstreuung; unsre Seele vergißt auf dasjenige was um uns vorgeht aufmerksam zu seyn, denn sie hängt nur mit ihren Gedanken an dem Gegenstande ihrer Leiden, und ist nur mit ihrem innern martervollen Zustande beschäftiget. Diese ihre Gedanken fahren in wilde Aufruhr untereinander, indem bald diese bald jene besondere Leidenschaft und Empfindung in dem Herzen die Oberhand gewinnt, und der Seele Gedanken zuströmt. Die Augen sehen wild und starr, die Augenbraunen nebst der Stirne sind in die Höhe gezogen, die Lippen zusammengepreßt, die Naselöcher geöfnet, die Backen eingefallen und zusammengerunzelt; bald wird das Gesicht bleich, bald durch den Anblick des geliebten Gegenstandes, der das Verlangen, die Empfindung des beleidigten Ehrgeitzes und verschmäheter Liebe rege macht, oder durch den Blick auf den vermeinten Nebenbuhler, der in dem Herzen die Rache und den Zorn entflammet, geröthet, und der ganze Körper des Eifer-[67]süchtigen in heftige Bewegung und Unruhe gesezt; kaum daß der Arme eines Augenblicks Ruhe zu genießen scheint, und seinem bangen Herzen durch Seufzer Luft verschaft, durchfahren Schwerdter sein Herz und Eingeweide, und zerreissen sein Innerstes. In Augenblicken, worinn sich der Eifersüchtige freier überlassen ist, wo sein gequältes Herz sich unaufgehalten öfnen kann, zeigt sich bald diese bald jene einzelne Leidenschaft und Empfindung in ihrer eigenthümlichen Gestalt und Würkung, je nach der Beschaffenheit seiner Lage und Umstände, und nach dem Betragen des Gegenstandes seiner verschmähten Liebe, oder dessen, der der vermeinte Störer seiner Ruhe ist, und den er für den Widersacher hält, der ihm den Besitz des geliebten Gegenstandes streitig macht. Dort blutet sein Herz bald vor inniger Wehmuth, und macht sein Aug in Thränen schwimmen, bricht in jammervolle Klagen und Seufzer aus, er ringt und windet die Hände, er spart keine Worte, seine Sprache strömt aus der Fülle seines Gefühls, um seinem geliebten Gegenstande den ganzen unermeßlichen Umfang seiner Liebe vorzubilden, und ihn zur Gegenliebe zu bewegen; bald bricht er beim Widerstand in Vorwürfe aus, er fühlt sich in seiner ganzen verächtlichen Kleinheit, sein gereizter Ehrgeitz wirft ihm die Lippen empor, macht seine Blicke und sein ganzes Gesicht wilder, sein Körper beugt sich beim widerkehrenden Gefühl seines eigenen Werths, von [68]dem verschmähenden Gegenstande ab, und mit halb verwendetem Gesicht blickt er seitwärts mit einem verachtenden Blicke nach ihm. Gegen seinen vermeinten Nebenbuhler ist er zornig, und droht ihm seine ganze volle Rache, und wenn er sie ausübt, ist er grausam und ohne Schonung. Ist der Eifersüchtige ein Mann von Lebensart und Sitten, versteht er sich auf die Unterdrückung der Leidenschaften; so wird er sich seines Nebenbuhlers auf feinere Weise versichern, und seinem heimlichen Verständnisse mit besserer und künstlicher Art Hindernisse in den Weg zu stellen suchen. Es ist ohnmöglich, das Bild des Eifersüchtigen unter eine einzige Ansicht und in einen solchen Gesichtspunckt zu stellen, wo man ihn mit einemmahl übersehen kann; denn in ihm lößt immer eine Leidenschaft und Empfindung die andere ab, und sein innerer Zustand wechselt mit seiner äußern Gestalt fast alle Augenblicke; alle diese Leidenschaften und Empfindungen modificiren sich über dieses noch nach den besondern Lagen, Verhältnissen, Alter, Temperament, Sitten und persönlichen Character, so daß diese Leidenschaft fast in allen Subjekten eine andre Richtung gewinnt. Man kann sagen, daß sie aus fast allen übrigen zusammen gesezt sey, oder doch wenigstens dieselben erzeuge und zu Hülfe nehme, wovon ich außer den bereits erwähnten nur noch im Vorbeigehn, Verläumdung, Haß, Mißgunst, Neid, Mistrauen und Verdacht nennen will. Ein gerin-[69]gerer Grad der Eifersucht muß derjenige seyn, wenn wir eine Person, die wir nicht mehr lieben, oder nie innig geliebt haben, mit einer andern im vertraulichen Umgange sehen; wenn wir aus andern Absichten, als aus Liebe eine Vereinigung mit ihr wünschen, und den Besitz derselben einem andern misgönnen. Hier artet die Misgunst, im Fall wir diese Person schon besitzen, bloß in die Empfindung des beleidigten Ehrgeizes, in Zorn, Rache, und alle diejenigen Leidenschaften aus, die aus jener Quelle des Ehrgeizes ihren Ursprung nehmen. Ist die Person noch nicht in dem Besitz, den wir nicht aus Neigung zu ihr, sondern aus andern eigennützigen Absichten wünschen; so tritt Neid, Mißgunst, Habsucht an die Stelle der Eifersucht. Hierher gehöret auch die Eifersucht, die zwischen vertrauten Freunden statt findet, und Verdruß und Mißtrauen in uns erzeugt, wenn wir sehen, daß unser Freund mit andern in einem vertraulichen Gespräche ist, ihn stets begleitet, und die Ursach seines Umgangs mit ihm verborgen hält. Doch ist bei dieser Gattung der Eifersucht, die unangenehme Empfindung bei weitem so heftig nicht, als bei derjenigen, die sich auf würkliche Liebe und herzliche Zuneigung gründet, da die Freundschaft mehr geistiger Natur ist, die Liebe hingegen auch den Reiz der Sinne zur Verstärkung der Begierde mit ins Spiel kommen läßt. Leztere ist von der erstaunlichsten Wirkung. Ist der Mensch einmal argwöhnisch ge-[70]gen die Treue einer geliebten Person; so hat er auf alle Menschen, die sich derselben nähern, ein wachsames Auge, in jedem sieht er seinen Verräther, einen Vermittler oder Nebenbuhler; die Eifersucht hat manche Menschen ihrer Vernunft und Sinne beraubt, und gemacht, daß sie in ihrer Rache und Wuth gegen die geliebte Person sowohl, als gegen den vermeintlichen Verführer keine Grenzen kannten, und alle Menschlichkeit verlohren. So ließ z.B. Raimund von Castel Roussillon den Wilhelm von Cabestain, den er im Verdacht eines verbotenen Umgangs mit seiner Gemahlinn hatte, erstechen, zwang darauf seine Gemahlinn, sein Herz zu essen; und Beispiele wohl behandelter Eifersucht dieser Art findet man in Gabriele de Vergy, und noch besser in Shakespear's Othello. Es giebt eine Art von Eifersucht, die immer kommt und wieder geht; hier ist der Eifersüchtige zwar überzeugt, daß er wieder geliebt wird, aber sein zur Gewohnheit gewordener Argwohn erregt öfters ein Mißtrauen gegen die Treue der geliebten Person, besonders wenn von Seiten der lezteren ein freundliches, munteres, gesprächiges Wesen, das sie gegen andere blicken läßt, hinzu kommt. Diese Eifersucht erreicht den Grad derjenigen, die sich auf eine verschmähte Liebe gründet, lange nicht, sondern hat alle Kennzeichen des Argwohns und Mißtrauens an sich. Zu dieser Classe gehöret Falkland in den Nebenbuhlern des Sheridan.«

[71]

Cartesius, welcher in seiner Abhandlung über die Leidenschaften so manche Erscheinung unsrer Empfindungen auf eine scharfsinnige Art zergliedert hat, scheint mir in dem Kapitel über die Eifersucht einen Fehler begangen zu haben.*) 1 »Wir verachten einen Mann, sagt er, welcher auf sein Weib eifersüchtig ist, weil dies ein Zeichen ist, daß er sie nicht auf eine gute Art liebt, und daß er von sich oder von ihr eine böse Meinung hat; denn liebte er sie würklich; so würde er nicht die geringste Neigung haben, mißtrauisch gegen sie zu seyn. Aber eigentlich ist sie es nicht, die er liebt, sondern allein das Gut, welches nach seiner Meinung in dem alleinigen Besitz desselben besteht, und er würde nicht fürchten dieses Gut zu verliehren, wenn er sich dessen nicht für unwürdig, oder sein Weib nicht für ungetreu hielte.«

[72]

Wenn es gleich eine Liebe geben kann, die aus Ueberzeugung von der vollkommensten Treue des geliebten Gegenstandes gar nicht eifersüchtig ist; so irrt sich doch Cartesius in der That, wenn er die Eifersucht für ein Zeichen einer nicht wahrhaften Liebe hält. Je wahrhafter, ernstlicher und wärmer wir einen Gegenstand lieben, jemehr liegt uns daran, ihn zu besitzen und uns in seinem Besitz zu erhalten. — Dies ist ein Erfahrungssatz, der in der Natur unsrer Seele seinen guten Grund hat. Bei aller Ueberzeugung von der Treue des geliebten Gegenstandes werden wir doch nicht immer jedem Argwohn ausweichen können, zumahl wenn wir das menschliche Herz genau studirt, und seine Veränderlichkeit kennen gelernt haben. Die Eifersucht ist ferner nicht immer ein Beweis, daß man von sich selbst oder von dem Geliebten eine böse Meinung haben müsse. Unzählig oft, und fast immer wird sich der Eifersüchtige besser vorkommen, als sein Nebenbuhler, und wir werden auf der andern Seite von dem geliebten Gegenstande oft die beste Idee haben, aber es doch nicht immer dahin bringen können, daß wir über den Eindruk nicht mißvergnügt seyn sollten, welchen unser Nebenbuhler auf die Geliebte, oder diese nur auf jenen gemacht hat, wenn wir auch glauben, daß wir den geliebten Gegenstand immer besitzen würden. — Daß der Eifersüchtige nicht eigentlich sein Weib selbst liebt, sondern in so fern er sie nur als ein Gut betrachtet, das er in sei-[73]nem Besitz zu erhalten suchen müsse, ist eine Distinktion, die nicht ganz richtig ist. Es muß ein Interesse da seyn, jenes Gut in seinem Besitz zu erhalten, und dieses Interesse des Herzens gründet sich offenbar, wenigstens in den meisten Fällen, auf Liebe; ob ich gleich gern zugeben will, daß viele Eifersüchtige bei einer erkaltenden Liebe doch den Gegenstand zu behalten suchen werden, weil es ihrer Eitelkeit schmeichelt, und weil sie sich der Verachtung der Welt auszusetzen glauben, wenn sie sich in dem Besitz desselben nicht erhalten können.

Es giebt endlich auch noch eine Jalousie der Freundschaft zwischen einerlei Geschlechter. Diese Erscheinung verdiente von einem scharfsinnigen Kopfe wohl einmahl ganz genau untersucht zu werden. Da sich die Geschlechtsliebe in diese Art der Eifersucht nicht hinein mischen kann; so bestehet sie ohnstreitig nur in einer argwöhnischen Furcht unsern Freund zu verlieren, wenn er mit andern eben so freundschaftlich umzugehn scheint als mit uns; oder doch wenigstens nicht mehr ganz den Plaz in seinem Herzen einzunehmen, den wir vorhin besaßen. Die Eigenliebe, die versteckte Neigung zur Beherrschung fremder Herzen ist auch die Mutter dieser Art Eifersucht, und nicht selten sind dadurch Freundschaften getrennt worden, die ewig zu seyn schienen. — In der That haben wir auch Ursach oft auf unsre Freunde eifersüchtig zu seyn, zumahl wenn [74]sie bei allen Talenten des Geistes und Herzens sehr zur Veränderlichkeit geneigt sind; oder wenn wir voraussezen können, daß sich unsere Freunde durch neue, vielleicht glänzendere Bekanntschaften, vielleicht selbst wider ihren Willen, etwas von uns entfernen werden.

Die Eitelkeit des menschlichen Herzens zeigt sich hier oft in den seltsamsten und manigfaltigsten Gestalten. Wir wollen einen Freund allein besizen, weil er desto mehr Glanz auf uns wirft, oder weil wir dadurch einen größern Einfluß auf andre Menschen bekommen, oder weil wir ihn gern allein beherrschen mögen, — oder weil wir auch wollen, daß er uns allein sein Glück, seine Zufriedenheit schuldig seyn soll. Wir sehen voraus, daß sein Herz sich theilen muß, wenn andre sich für ihn freundschaftlich interessiren, und uns wohl gar den vorher behaupteten Rang der Gefälligkeit und Wohlthätigkeit bei ihm ablaufen. Ein eifersüchtiges Interesse ist dann fast immer sichtbar, wenn unser Freund viel Wohlthaten von uns genossen hat. Wir möchten gern das Andenken an dieselben in ihm recht lebhaft erhalten, und ihn ganz zum stillen und alleinigen Verehrer unserer Zärtlichkeit gegen ihn machen, — was er aber nicht mehr seyn kann, wenn andre zugleich mit uns sein Herz zu gewinnen suchen. Selbst dieß, daß unser Freund durch mehrere freundschaftliche Hände geleitet wird, kann uns oft mißtrauisch gegen ihn machen, weil wir [75]wissen, daß dadurch seine Dankbarkeit, die wir gern allein einärndten möchten, nicht uns allein gelten kann.

Sind uns die Leute überhaupt schon nicht angenehm, mit denen unser Freund eine neue Verbindung errichtet, sind sie überdem von einem größern Ansehn und Gewicht als wir, so wird unsre Eifersucht noch stärker werden, und wir werden uns nicht immer enthalten können, ihre Fehler sehr nachdrücklich aufzudecken, um unsern Freund von einer fernern Freundschaft mit ihnen zurückzuhalten. Will dieß nicht gelingen; so werden wir gewiß etwas zurückhaltender gegen ihn zu seyn anfangen; oder auch unter andern Umständen unsere Zärtlichkeit verdoppeln, um ihn desto mehr an uns zu fesseln.

(Die Fortsetzung künftig.)

Fußnoten:

1: *) Article CLXIX.— On meprise un home qui est jaloux de sa femme, pource que c'est un temoignage qu'il ne l'aime pas de la bonne sorte, & qu'il a mauvaise opinion de soi ou d'elle. Je dis qu'il ne l'aime pas de bonne sorte; car s'il avoit une vraye amour pour elle, il n'auroit aucune inclination à s'en defier. — Mais ce n'est pas proprement elle, qu'il aime, c'est seulement le bien qu'il imagine consister à en avoir seul la possession; & il ne craindroit pas deperdre ce bien, s'il ne jugeoit qu'il en est indigne, ou bien que sa femme est infidelle. b

Erläuterungen:

a: Ewald 1784.

b: Erstausgabe: Descartes 1649.