ΓΝΩΘΙ ΣΑΥΤΟΝ oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde

Herausgegeben von: Karl Philipp Moritz, Karl Friedrich Pockels und Salomon Maimon
Digitale Edition herausgegeben von Sheila Dickson und Christof Wingertszahn


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Fortsetzung der Revision der ersten drei Bände dieses Magazins.

Pockels, Carl Friedrich

Nachdem in den fünf letztern Stücken dieses Magazins die in den ersten drey Bänden vorkommenden Beyträge zur Seelenkrankheitskunde, Seelenzeichen- und Heilkunde; ferner die Abhandlungen über Sprache in psychologischer Rücksicht, über Lebensüberdruß, Taub- und Stumgeborne, Erinnerungen aus frühen Jahren der Kindheit, und endlich über Ahndungen und Visionen revidirt worden sind; so will ich nun in diesem und in folgenden Stücken die noch übrigen vorzüglichen Aufsätze durchzugehen suchen, welche die Seelennaturkunde betreffen.

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Im 1ten Bandes 1ten Stück Seite 344 wird aus einem Tagebuche (den 18ten Sept. 1780) Folgendes angeführt: »Ein unbedeutender, höchst uninteressanter Ausdruck aus einer Arie in einer Operette, den ich selbst nur vor ein Paar Tagen von einem guten Freunde hörte, welcher ihn sich zu wiederholtenmalen aus Langerweile vorsang, kam mir heute Nachmittag, während dem ernsthaftesten Nachdenken, alle Augenblicke, wider meinen Willen, in den Sinn, und ich konnte mich nicht enthalten, ihn mir ebenfalls zu wiederholtenmalen vorzusingen, ohne den mindesten Gefallen daran zu finden« u.s.w.

Wer genau auf sich Acht giebt, wird ähnliche Erfahrungen an sich machen können. Es geschieht nämlich oft, daß uns ein gewisser Ausdruck, ein gewisser Ton der Stimme gleichsam so fest in der Seele sitzt, daß wir ihn mit aller Mühe nicht wieder wegbringen können, — ja, daß er durch das Bestreben, ihn zu entfernen, oft noch stärker in uns tönt. Die Ursach von dieser innern starken und bleibenden Impression liegt, wie im erzählten Fall, nicht immer an der Wichtigkeit und Größe des Gegenstandes, oder Gedankens, der ausgedruckt wird, sondern sehr oft wohl darin, daß bey der allerersten Impression die Seele ganz müßig und unthätig war, und jene, da sie von keinen Nebenideen verwischt, oder auch geschwächt wurde, desto tiefer in unser Gehirn eindringen [3] konnte. Sonst kann auch noch der Grund in der Art der Impression selbst liegen, in ihrer Neuheit, ihrem Contrast mit andern Impressionen, in der Lebhaftigkeit und Beschaffenheit des Organs, oder auch, wie hier wohl der Fall gewesen seyn mag, und sehr oft bey naiven Melodien der Fall ist, in einer sehr geläufigen und fließenden Tonfolge, die wir uns entweder wirklich deutlich vorstellen, oder davon wir nur ein angenehmes dunkles Gefühl haben. So habe ich mehrere auch unmusicalische Leute gekannt, welche oft, ohne daran zu denken, die Claviermelodien der Asmusischen und Schulzischen Volkslieder sangen, und bey dem ernsthaftesten Nachdenken in die Melodie derselben wie halb Begeisterte einfielen.

Eine eben so starke und oft noch stärkere Impression, die uns alle Augenblicke wieder einfällt, und sich zu den ernsthaftesten Gedanken gesellt, obgleich diese Gedanken gar nichts Homogenes mit ihr haben, kann durch einen auffallenden Wortausdruck hervorgebracht werden, davon mir sonderbare Erfahrungen bekannt sind. Ein neuer Fluch, den wir hören, ein witziger Einfall kann uns tagelang, wider unsern Willen, vor den Ohren schweben. Der Hypochondrist ist in solchen Fällen am unglücklichsten, indem die unbedeutendsten Ideen, durch dieses und jenes Wort veranlaßt, gleichsam in seiner Seele anrosten, und ihn gleich Furien verfolgen.

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Eine Aehnlichkeit, wenigstens in Absicht des unwillkührlichen Entstehens, haben hiemit diejenigen Wörter, welche auf einmal — wodurch? können wir nicht immer wissen — vermittelst einer schreckhaften und furchtbaren Empfindung auf uns würken, wovon von Seite 85 an im 1ten Stück des 1ten Bandes ein bemerkenswerthes Beyspiel erzählt wird. »Ich hatte mir«, sagt Herr Jördens, »niemals eine deutliche Vorstellung davon zu machen gesucht, was das heiße: vom Schlage gerührt zu werden. Ein plözliches Ende des Lebens war alles, was ich mir dachte; der Schall des Worts schien das so mit sich zu bringen. Wie plözlich dies Ende sey, ob etwa mit Schmerz verknüpft, oder nicht, und solcherley mehr, darnach zu fragen, war mir nie eingefallen. In den folgenden (spätern) Jahren befand ich mich einstens in einer Gesellschaft, wo hinter einander von mehrern Personen erzählt ward, die vom Schlage getroffen worden. Ich hörte diesen Erzählungen jetzt zum erstenmal mit mehrerer Aufmerksamkeit zu, als bisher geschehen war, und das Bild des Todes brachte Schrecken in mein Herz! Ich ward plözlich unruhig; ich empfand eine gewisse Bangigkeit, die ich sehnlich von mir wünschte. Es ward ein neues Beyspiel erzählt, und ich fühlte eine zitternde Bewegung an meinem Körper. Jede Wiederholung des Wortes Schlag vermehrte meine Unruh und Angst« u.s.w. Diese schreckhaften Empfindun-[5]gen, die sich so auf einmal der Seele des H. J — bemächtigten, mogten wohl in der genauern Beschreibung der am Schlage gestorbenen Menschen, in der ängstlichen und weinerlichen Art, womit sie erzählt wurden, und in einer wenigstens abwechselnden Hypochondrie ihren Grund haben, ob er sich gleich S. 90. davon frey spricht. Nicht jeder hypochondrisch-kranke Mensch glaubt, daß er's wirklich ist, und aus der genauen Beschreibung, die der Herr Verfasser von seiner damals kranken Phantasie macht, sieht man deutlich, daß sie mit körperlichen Ursprungs war, und aufhörte, sobald mehr zerstreuende Ideen ihre schwarzen Bilder vertrieben, und sein Körper eine bessere Blutmasse bekam.


Eine ähnliche Erfahrung erzählt Herr M. S. 91. von sich selbst. Dergleichen Empfindungen sind nichts seltenes, und ihre Stärke läßt sich durchgehends durch eine zu stark erschütterte Einbildung erklären, welche jeder andern Idee die herrschende unterzuschieben sucht. Ich kenne einen Mann, welcher auf einmal niedergeschlagen wird, wenn man das Wort: Faulfieber nennt. Seine ganze Heiterkeit verliert sich bey diesem Wort, und er stellt sich keine Todesart schrecklicher, als das Faulfieber vor. Seit einem Jahre hat ihm dieses Wort Höllenqualen verursacht; — erst seit kurzer Zeit kann er davon so ruhig, wie von der gleichgültigsten Sache sprechen hören.


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Seite 47. steht ein Aufsatz des Herrn Fischers, Stärke des Selbstbewußtseyns benennt, worin einige wichtige Bemerkungen für die Seelenlehre vorkommen, obgleich das erzählte Factum selbst nichts weiter, als das bekannte Alpdrücken ist. Daß die Seele bey einer gänzlichen Verwirrung der Vorstellungs- und Einbildungskraft dennoch ein ziemlich deutliches Bewußtseyn von sich selbst und ihrem Zustande haben könne, — ist freylich ein paradoxer Satz, der mir äußerst unwahrscheinlich vorkommt. Bey einer gänzlichen Verwirrung unsrer Ideen, — oder bey der gänzlichen Unfähigkeit der Seele ihre Begriffe zu ordnen, und mit Deutlichkeit anzuschauen, läßt sich kein deutliches Bewußtseyn derselben von sich und ihrem Zustande denken, wenigstens in dem Augenblick der gänzlichen Verwirrung nicht. Aber während dieser Verwirrung kann es gewisse Lichtpuncte geben, wo die Seele zu sich selbst kommt, — und in solchen Intervallen kann man sich dann leicht irren, daß man die Gefühle während denselben durch Selbsttäuschung in den Zustand einer gänzlichen (vielleicht nur gänzlich geglaubten) Verwirrung der Denkkraft hinüberträgt.

Dergleichen Zustände sind überhaupt in der menschlichen Seele nicht selten, wo sie aus einer plözlichen Confusion der Ideen in ein eben so schnelles starkes Bewußtseyn ihrer selbst, und umgekehrt zurückfällt. Im ersten Fall pflegt sie sich denn nicht [7]selten mit mehrerer Lebhaftigkeit als jemals zu beschauen und zu fühlen, und daher sind die Augenblicke, worin Wahnsinnige von ihrer Raserey erwachen, für sie gewiß die unglückseligsten, die man sich denken kann.


Der Brief des Herrn Spaldings an Sulzer im 2ten Stück des 1ten Bandes Seite 38. u.s.w. enthält einen sehr merkwürdigen Beytrag zur Seelenkunde*). 1 Wahrscheinlich war der ganze sonderbare Seelenzustand des Herrn Verfassers aus einer plözlichen Unordnung im Gehirn entstanden, und zwar, wie er richtig bemerkt, wohl nur in einem Theile des Gehirns, weil er während seiner verworrenen Ideen und der Unfähigkeit, sie auszudrücken, sich doch seiner ganz deutlich bewußt war, und eine Beunruhigung über seinen Seelenzustand empfand, auch die körperlichen Objecte von aussen völlig unterscheiden konnte. Wahrscheinlich bewegten sich auch die verworrenen Bilder seiner Einbildungskraft zu lebhaft und zu geschwind, als daß die Seele andere ruhigere Ideen fixiren konnte, und eben daher mogte auch das Verwechseln der gesuchten Wörter und der unwillkürlichen entstehen. Aus dergleichen Phänomenen läßt sich allerdings sehr [8]viel folgern, und so sehr sie auch eine gewisse uns bisher unbekannte Vereinigung der Organisation mit der Denkkraft sichtbar darthun, so sicher folgt auch davon, daß die Seele, die die sich durchkreuzenden Vorstellungen von sich selber unterscheiden, und über ihre Unrichtigkeit urtheilen konnte, eine eigene von der Organisation unabhängige Selbstthätigkeit besitze. Das Bewußtseyn ihrer selbst läßt sich durch keine Organisation, durch keinen Einfluß der Organisation völlig erklären. Hier erscheint der Mensch als ein geistiges Wesen auf einmal über alle Materie erhaben; so fein wir sie auch subtilisiren und organisiren mögen. — Es ist natürlich, daß sich die Vorstellungen der Seele, durch eine Zerrüttung der Organisation, vornämlich im Gehirn, verwirren können; allein die Vorstellung dieser verworrenen Vorstellungen zeigt von einer ganz eigenen innern Denkkraft der menschlichen Natur, und der Beweis, welchen die Materialisten für ihr System aus jenen Vorstellungen eines verworrenen Gehirns ziehen könnten, ist eigentlich mehr gegen, als für sie.


Der vortrefliche Aufsatz des Herrn Hofrath Marcus Herz über seine eigene Krankheit, S. 44. u.s.w. enthält für den Arzt und Psychologen die interessantesten Winke zur Bereicherung ihrer Wissenschaft, und ich wünschte nichts mehr, als daß von philosophischen Aerzten mehr dergleichen Krank-[9]heitsgeschichten, wo der Körper durch die Seele zu genesen anfing, bekannt gemacht werden mögten. Aller Wahrscheinlichkeit nach gab die einzige Idee: du bist nun an dem Orte, wo du zu seyn so lange vergeblich gestrebt hast! der Seele ihre Besonnenheit wieder; obgleich der damit verbundene Schlaf eine endliche Folge einer zu langen Ermattung seyn konnte. Jene einzige Idee war die Schöpferinn einer neuen Denkordnung, so wie die gegenseitige angstvolle, nicht an dem rechten Ort zu seyn, durch einen zu starken Druck auf Blut und Gehirn wenigstens die causa socia der Verwirrung seyn mußte. Nur ist mir noch nicht entschieden: ob jene neue Idee, an dem gewünschten Orte zu seyn, eigentlich an sich selbst, oder der damit verbundene Grad der Freude und Leidenschaft der Seele den veränderten Stoß nach einer bessern Richtung gegeben habe, welches letztere mir um so viel wahrscheinlicher vorkommt, weil gerade die qualvolle Einbildung, auf den Strassen und in fremden Oertern herumgeschlept zu werden, das Delirium am meisten unterhielt. Es sind mir mehrere Beyspiele bekannt, wo Menschen durch einen plözlichen Affect der Freude ihre verworrenen Vorstellungen auf einmal verloren, und wieder zu einem deutlichen Bewußtseyn ihrer selbst kamen, — obgleich die herrschende Vorstellung bey ihren Verwirrungen nicht immer grade der Wunsch war, der auch in Erfüllung ging, sondern ein an-[10]deres Hirngespinst ausmachte. Aus mehreren täglichen Phänomen könnte der denkende Arzt die wichtigsten Resultate für seine Kunst ziehen; eine Kunst, die nur immer etwas Halbes bleibt, wenn er nicht zugleich wirklicher Psycholog ist. Ich wünsche, daß meine Leser hiebey das nachlesen mögten, was der Hofrath M. Herz in der Einleitung seines Buchs, vom Schwindel, mit so vielem Scharfsinn gesagt hat. a


Die Geschichte einer sonderbaren Handlungsart ohne Bewußtseyn, (S. 74.) welche Herr G. L. Spalding aus dem Englischen des Lord Monboddo erzählt hat, zeigt deutlich, daß die menschliche Seele sehr vieler Ideen, und darauf gegründeter Handlungen fähig sey, obgleich das Bewußtseyn derselben mit einem Augenblicke verlischt. Eigentlich war das angeführte Mädchen eine Nachtwandlerinn am hellen Tage. »Ihr Paroxismus ergriff sie allemal bey Tagszeit, wenn sie schon einige Stunden aus dem Bette gewesen war. Er fing mit einer Schwere des Kopfs und Schläfrigkeit an, die sich in Schlaf endigte, wenigstens in eine Art davon; denn ihre Augen waren fest zugeschlossen. In diesem Zustande war sie vermögend, mit einer erstaunenswürdigen Behendigkeit auf Tisch und Stühle zu springen. Oft rennte sie auch aus ihrer väterlichen Wohnung; dies geschah aber allemal mit einer gewissen Richtung nach irgend einem bestimm-[11]ten Orte in der Nachbarschaft, und mit völlig verschlossenen Augen. Wenn sie erwachte, fühlte sie sich sehr schwach; aber bald kam sie wieder zu Kräften, und befand sich nun nichts schlimmer; im Gegentheil hatte man sie im Laufen gehindert, so war sie um ein Großes kränker. War sie nun zu sich selbst gekommen, so hatte sie nicht die geringste Erinnerung von dem, was sich während ihres Schlafs zugetragen hatte«.

Die Heilung von ihrem Uebel ist in der That sonderbar, und hat viel Aehnlichkeit mit den albernen prophetischen Curen der magnetisirten bremischen Frauenzimmer, ob sie gleich nicht manipulirt worden war. Einige Zeit vor dem Ende ihrer Krankheit träumte sie, wie sie erzählte, das Wasser eines benachbarten Brunnens, genannt Tropfbrunnen, werde sie heilen. Sie trinkt während des Paroxismus und außer demselben sehr viel davon, konnte es auch im Paroxismus genau von anderm Wasser unterscheiden. Vor ihrem letzten Paroxismus sagte sie: nun habe sie noch drey Sprünge zu thun, und dann wollte sie nie wieder springen oder laufen. Dies geschah auch wirklich, und jetzt ist sie vollkommen gesund.« Ein auffallender Beweis von der Heilkraft der menschlichen Einbildungen.


Erfahrungen und Phänomene von der Art, wie S. 103. angeführt worden, giebt es mehrere. Ich erinnere mich sehr deutlich aus meiner Jugend, [12]daß ich oft eine Neigung in mir wahrnahm, mich in das Mühlgerenne einer Wassermühle hinabzustürzen. Ich kenne Leute, die, wenn sie einen bloßen Degen in der Hand halten, einen Trieb in sich fühlen, den Anwesenden zu verwunden, sich ein vor sich liegendes Scheermesser an die Kehle zu setzen u.s.w. Viele dergleichen Fälle, wo man sich in eine Gefahr hineinzustürzen, einen Drang empfindet, ob man sich gleich davor fürchtet, lassen sich aus einer dunkeln Neugierde erklären, indem man, ob man sichs gleich nicht deutlich vorstellt, zu erfahren wünscht: wie einem in der Gefahr selbst zu Muthe seyn mögte. Oft kann auch der bloße Anblick der Gefahr auf eine mechanische Art unsre Empfindungen in Aufruhr bringen. Das schnell über das Mühlgerenne herabstürzende Wasser nöthigt uns gleichsam das mechanische Gefühl ab, daß wir mit fortschwimmen müßten, und wir handeln dann eben so instinctartig, als ein Thier, welches zu laufen anfängt, wenn das vorhergehende läuft. Billig sollte man dergleichen Fälle, wo wir ganz mechanisch handeln, bey den Beurtheilungen des Selbstmordes mehr von einer physischen als moralischen Seite betrachten, und überhaupt da, wo die Menschen ganz außerordentlich albern, oder böse zu handeln scheinen, sie mit weiser Schonung richten, weil man in hundert Fällen voraussehen kann, daß ein unwillkürlicher Stoß ihrer Leidenschaften sie verführt hat.


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Im 2ten Bande 1ten Stück S. 71. ff. erzählt der sel. Kirchenrath Stroth Folgendes: »In meinem dreyzehnten Jahre fiel ich durch einen Zufall in's Wasser, in dessen grundlosen Boden ich so lange steckte, daß ich dem Ertrinken nahe war, bis ich endlich durch Hülfe andrer Leute wieder herausgebracht ward. Von dieser Zeit an glaubte ich, so oft ich zu Selbstbetrachtungen kam, ich sey damals wirklich ertrunken; alles, was ich sähe, hörte oder empfände, seyen keine wirkliche Empfindungen in der Körperwelt, sondern Erinnerungen aus dem vorigen Leben. Ich glaubte keinen Körper mehr zu haben, sondern mich nur dem Geiste nach entweder auf der Erde aufzuhalten, oder doch solche Vorstellungen zu haben, als ob ich mich auf der Erde aufhielte. Und alle diese Einbildungen hatte ich in Jahren, wo ich nichts von Sceptikern und Idealisten gehört hatte u.s.w.«.

Ich kann mir diesen Zustand nicht anders als durch eine dunkle Zurückerinnerung an die Empfindungen erklären, die der gute Stroth unter dem Wasser liegend gehabt haben mogte. Nun wirst du ertrinken, wird dein Geist von dir scheiden! — Diese und ähnliche Ideen konnten damals schnell durch seine Seele gehen; aber auch einen so starken Eindruck im Gehirn zurücklassen, daß diese Idee von Nichtmehrseyn, wenn er zu Selbstbetrachtungen kam, eine solche Lebhaftigkeit annahm, [14]daß sie die übrigen verdunkelte, und seine Seele ganz in den Empfindungszustand seiner Gefahr zurücksetzte, wo er schon aufgehört zu haben glaubte. Eine Empfindung, die ich aus eigener Erfahrung kenne, und einem lebhaften Traume aus einem andern Leben gleicht, übrigens aber mit der Empfindung nichts gemein hat, welche aus einem wirklichen Vernunftzweifel ihren Ursprung nimmt.

C. F. Pockels.

(Die Fortsetzung künftig.)

Fußnoten:

1: *) Man lese hierüber nach, was Mendelssohn S. 46. ff. im 3ten St. 1ter B. dieses Magazins mit wahrem philosophischen Scharfsinn gesagt hat.

Erläuterungen:

a: Herz 1786.