ΓΝΩΘΙ ΣΑΥΤΟΝ oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde

Herausgegeben von: Karl Philipp Moritz, Karl Friedrich Pockels und Salomon Maimon
Digitale Edition herausgegeben von Sheila Dickson und Christof Wingertszahn


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II.

Ein Dichter im Schlaf. a

Jacobi, Johann Friedrich

Der ehemalige Professor Wähner zu Göttingen hat oft von sich erzählt, daß ihm in jüngern Jahren aufgegeben worden, einen gewissen Gedanken in zwei griechischen Versen auszudrucken.

Er beschäftigt sich ein paar Tage damit, er kann aber den aufgegebnen Gedanken ohne Nachtheil seiner Stärke nicht in zwei Verse zwingen.

Er schläft an einem Abend unter der Bemühung, diese zwei Verse heraus zu bringen, ein. [89]In der Nacht klingelt er seiner Aufwärtrin, lasset sich Licht, Papier, Feder und Dinte geben, schreibt die im Schlafe noch gesuchten und gefundnen zwei Verse auf, und läßt sie auf seinem Schreibtische liegen und schläft bis an den Morgen.

Da er aufwacht, weiß er von demjenigen nichts, was in der Nacht geschehen und fängt von neuem an, sich Gewalt anzuthun, um die beiden verlangten Verse zu finden; es will ihm aber nicht gelingen. Er steht mit Verdruß darüber auf, geht an seinen Schreibtisch und findet die beiden in der Nacht verfertigten und sehr wohl gerathnen Verse, und zwar mit seiner eignen Hand geschrieben. Er ruft die Aufwärterin und erkundigt sich, woher das Blatt mit den zwei geschriebnen Reihen gekommen. Diese erzählt ihm dann, was in der Nacht geschehen. Er hat sich aber dessen nie erinnern können. Er versicherte dabei, daß er den Abend vorher nichts von starkem Getränke genossen, und mit dem nüchtersten Muthe zu Bette gegangen sey.

Erläuterungen:

a: Vorlage: Jacobi 1783, S. 7f.