ΓΝΩΘΙ ΣΑΥΤΟΝ oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde

Herausgegeben von: Karl Philipp Moritz, Karl Friedrich Pockels und Salomon Maimon
Digitale Edition herausgegeben von Sheila Dickson und Christof Wingertszahn


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VII.

Parallel zu der Geschichte des Herrn Klug. a

Moritz, Karl Philipp

Der Herr Doktor Pihl besuchte den gewesenen hiesigen Kaufmann D...s, um seinen Gemüthszustand zu untersuchen, und fand ihn in einem sonderbaren Aufzuge. Er war mit einem Schlafrocke bekleidet, hatte aber einige eiserne Ringe um den Leib. Auf dem Kopfe trug er einen ungeheuren Aufsatz, der aus leinenen Tüchern und Mützen bestand, die er theils mit Bändern, theils mit dünnen eisernen Reiffen und dazwischen gesteckten Papiere, u.s.w. befestiget hatte. Sein Bette war ebenfalls mit eisernen Reiffen und Platten, Brettern u.d.g. versehen. Als ihn der Herr Doktor Pihl um die Ursache dieses Aufzuges und dieser wunderlichen Anstalten fragte, so antwortete er: daß er es deshalb thun müßte, weil er keinen Augenblick Ruhe vor bösen Geistern habe, die ihn Tag und Nacht beunruhigten, ihm schon Lunge und Leber ausgerissen, und grosse Summen aus seiner Haut gelöset hätten, u.s.w.

Herr Klug hatte sich in den Kopf gesetzt, er habe ein Buch wieder den König von Preussen geschrieben, und sich dadurch seinen Zorn auf den Hals geladen. Herr D...s glaubte, er sey ein un-[31]mittelbarer Abgesandter der heiligen Dreieinigkeit, die jetzt die Regierung auf Erden selbst übernommen, und also die Gewalt aller Könige und Fürsten verachtet und aufgehoben habe. Er besonders habe von ihr den Auftrag erhalten, zu sehen, daß Recht und Gerechtigkeit gehandhabt, und die Häuser im guten Stande erhalten würden, die fast alle zum Umsturz da stünden, weswegen auch Herr D...s im Anfange seines Wahnwitzes in viele Häuser ging, und den Eigenthümern derselben, Kraft seines Amts, befahl, daß sie unverzüglich sollten bauen lassen.

Herr Klug verrammelte nur seine Stube, Herr D...s sogar seinen Leib. Jener fürchtete sich vor Menschen, dieser vor dem Teufel.

Erläuterungen:

a: Vorlage: Pyl, Gutachten vom 3. November 1781, in: Pyl 1785, S. 204-208.