ΓΝΩΘΙ ΣΑΥΤΟΝ oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde

Herausgegeben von: Karl Philipp Moritz, Karl Friedrich Pockels und Salomon Maimon
Digitale Edition herausgegeben von Sheila Dickson und Christof Wingertszahn


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4.

Mystische Briefe des Herrn von F...*) 1 a

Fleischbein, Johann Friedrich von

den 14. August 1758.

Ihr Brief vom 24. Julii, den ich gestern empfangen, war mir und meinen Hausgenossen sehr erfreulich, da wir so deutliche Spuren des Schutzes, der Vorsehung und der Führung Gottes über Sie beides innerlich und äußerlich daraus wahrnehmen konnten. Gelobet sey Gott, der bisher seine Verheißung an Ihnen erfüllet, daß alle, die in Gott vertrauen, nicht sollen zu Schanden werden. Der Herr erhalte und schütze Sie ferner von innen und äußerlich, Jesus seegne und stärke Sie, und gebe Ihnen seinen Frieden. Ich und meine Hausgenossen grüßen Sie herzlich, und es ist uns sehr erfreulich, Briefe und Nachricht von Ihnen zu erhalten, und wann Ihre Briefe lang und groß sind. Ihr Inners betreffend, so sind Sie auf der rechten Spur, Sie haben durch die Salbung und Gegenwart Got-[54]tes in Ihrem Innern die Ruhe und den Frieden, so lange Sie getreu sind, Ihrem innern Führer auf den Wink zu folgen und zu gehorchen; und Unruhe und Pein, wann Sie davon abweichen. So seyn Sie dann Gott getreu, und in allem gehorsam und folgsam, was er Ihnen innerlich zu erkennen giebt, und bitten den liebreichen göttlichen Erlöser nach der Weise Ihres Gebets durch Herzensseufzer, und Ihre Einwilligung, wann Sie dieses lesen, daß er Sie in Ihrer Treue und Unterwerfung unter den Geist der Genaden und dessen Führung erhalten wolle. Die Unruhe oder Furcht, die Sie in jenem Dorf, in welchem Sie die Nacht über bleiben wollten, gehabt haben, ist eine deutliche Warnung von Gott, damit Sie wieder zu Ihrem Regiment gleich kehreten, und für Ueberfall und Gefangenschaft bewahret würden. Merken Sie auf diese Begebenheiten und Warnungen, indem die göttliche Vorsehung durch dergleichen, oder auch durch Warnung von andern, Sie schützen und bewahren wird.

Für die gegebenen Nachrichten von frommen Freunden danke ich Ihnen gar sehr. Was Sie hierinnen ferner erfahren, werden Sie mir jederzeit ausführlich melden. Das unter dergleichen Frommen keine Harmonie noch Eintracht ist, ist die Ursache, weil Sie noch in der Vielfältigkeit stehen, nicht durch den allgemeinen Geist Jesu sich führen lassen, und jeder durch einen besondern Geist ge-[55]führet wird. Wann Sie hingegen wahre innere Seelen, die durch den Geist Jesu sich führen lassen, antreffen sollten, so werden Sie so, wie hier im Hause, wenn Sie uns besuchet hatten, eine völlige Harmonie und Uebereinstimmung des Innern finden. Ich hätte Ihnen noch vieles zu schreiben, allein die Zeit fehlet, indem ich gestern den beikommenden langen Brief für Sie geschrieben habe, welchen ich bitte, behutsam zu gebrauchen, und solchen niemand zu zeigen, der einen übeln Gebrauch davon machen könnte. Grüßen Sie alle Freunde, die Sie antreffen, von mir und meinen Hausgenossen herzlich.

Die Namen Goyer und Lobach waren uns wohl bekannt. Grüßen Sie insbesondere den Hrn. Goyer, er hatte einen sehr frommen Onkel, der unser großer Freund war. Die Frau Fussin werden Sie wohl am besten unter dem Namen Helena Meusers, erfragen, den sie vor ihrer Verheirathung führete. Sie wohnet zu Dumbach, einem Ort im Bergischen, etliche Stunden von Mühlheim bei Cölln entfernet. Zu Elberfeld wohnete einer vor zehn und mehr Jahren, Namens Peter Kohl und seine Frau, zwei in den innern Wegen erfahrene Seelen. In Rheimbergen wohnet auch ein frommer Freund, Namens Hr. Weck, beide, wann Sie nach Reinsberg oder Elberfeld kommen, grüßen Sie herzlich. Zu Burcheid bei Aken, in einem Haus, die verkehrte Welt genannt, hat ehe-[56]mals gewohnt einer Namens Hr. Bieberbach, der nebst seiner Frau, wann sie noch leben, im Innern weit gekommen seyn müssen, grüßen Sie dieselben von mir gar herzlich, wann Sie dahin kommen. Ich sende mit diesem Brief einen halben Louisd'or an Ihre Frau, für Sie zum freundlichen Liebesgruß von M. L. Sch. und mir, sie können Ihrer Frau schreiben, was sie mit dem halben Luisd'or machen soll. Ich grüße Sie nochmals herzlich. Adieu!


den 4. Nov. 1759.

Ihr Brief vom 2ten hat mich sehr erfreuet, daraus zu ersehen, daß Gott es Ihnen offenbaret, worinnen Sie bisher gefehlet haben, Sie haben wohl gethan, mir alle Umstände davon zu schreiben, Sie würden aber besser gethan haben, es eher zu melden. Gott fordert diese Treue von Ihnen, und von allen, die auf diese Weise mittelbar geführet werden. Gott hätte es mir zwar auch entdecken können, wann Sie aber darauf hätten warten wollen, so würden Sie auf ein Wunderwerk gewartet haben, welches ist, Gott versuchen. Sie waren mir lieb, als Sie hier waren, das machte, die Mittheilung hatte bei Ihnen Eingang, Sie blieben in der Stille, und dadurch wurde wieder ein neuer Grund gelegt, wodurch, wie auch durch die Entrückung Ihrer [57]l. Fr. die Gott als ein Mittel darzu brauchte, Ihnen die Augen sind geöfnet worden. Indessen wunderte es mich selbsten, während Ihrer Anwesenheit, daß ich so wenig mit Ihnen reden konnte, ich überließ aber dieses, wie alles andre, Gott, und konnte Ihnen weiter nichts sagen, als daß Sie sich, der Zerstreuungen ohngeachtet, stets in der Gegenwart Gottes zu erhalten, trachten sollten. Hierauf muß ich Sie auch jetzo verweisen, und daß Sie, so oft Sie können, etwas in M. G. oder andern mystischen Schriften lesen. Sie haben jetzo mehr nöthig, sich sehr oft des Tages über, in die Gegenwart Gottes zu stellen, und mit einem Seufzer ihm Ihr Herz und alles zu widmen und aufzuopfern, dieses ist Ihnen von einer absoluten Nothwendigkeit, und da Sie anfangen, schwächer zu werden, und ein erster Winter in Ihrem Innern zu kommen scheinet, so würden Sie in gänzlichen Verfall kommen, und wieder zur Welt kehren, wann Sie diese Uebung, sich stets bei Gott zu halten, vernachlässigten. Merken Sie sich dieses wohl mein liebes K. und seyn Sie getreu der Gnade, die Sie von Gott empfangen haben; gedenken Sie an die Israeliten in der Wüsten: keinem Volke ist jemals so große Gnade durch mancherlei Zeichen und Wunder wiederfahren, als diesen Israeliten, aber auch keine sind jemals so hart gestrafet worden als diese, weil sie gegen die übergroße Barmherzigkeit und Heimsuchung Gottes ungetreu wurden, daher auch [58]von 600,000 Mann nur 2 ins Land der Verheißung kamen, die übrigen aber alle in der Wüste umkamen. Dieses zu einem erstaunlichen Exempel, wie hart Gott die Undankbarkeit und Mißbrauch der erwiesenen Gnaden strafet. Ich bitte Gott um seiner unendlichen Erbarmung und um Jesu Christi Leiden und Verdienst willen, daß er Sie für einen so schrecklichen Unglück bewahren wolle. Jesus seegne Sie, mein liebes K. Jesus stärke und vermehre Ihren Glauben, und gebe Ihnen Treue und Beständigkeit, fest bei der Gnade Gottes zu halten, und dieselbe durch Untreue nicht zu verscherzen. Jesus schütze und erhalte Sie bei allen Gefahren, er seegne Sie und gebe Ihnen seinen Frieden, Amen! Ich und meine Hausgenossen grüßen Sie herzlich und innigst, und wünschen mit Ihnen im Herzen Jesu stets vereiniget zu bleiben. Ach mein liebes Kind, seyn Sie getreu gegen die unendlich große Gnade, die Gott Ihnen unter vielen tausenden erwiesen hat. Welche Strafe in der Ewigkeit würden Sie nicht verdienen und leiden müssen, wenn Sie treuloß sollten erfunden werden, wofür der erbarmende Jesus Sie bewahren wolle.

Für die ertheilte Nachricht in diesem und in Ihrem vorigen Brief, danke ich Ihnen. Gott wird ja endlich eine Errettung schaffen. Vielen Nachrichten zufolge, möchte sich Spanien für die Allianz mit England und Preußen erklären, welches den Sachen ein anderes Ansehen geben wird.

[59]

Ich grüße Sie nochmals in dem Herzen Jesu innigst. Adieu!


den 14. Julii 1759.

Ihre drei Briefe vom 4ten, 9ten und 12ten dieses, habe ich alle wohl erhalten, und danke Ihnen gar sehr für die vielen Nachrichten von frommen Personen, die Sie auf dem Wege angetroffen haben. Es hat mich diese Nachricht sehr erfreuet, indem daraus erhellet, daß obgleich im Allgemeinen keine Bekehrung der Welt durch diese Strafgerichte Gottes erfolget, jedennoch sich hin und wieder Seelen finden, die sich Gott ergeben, damit Jesus Christus sein Reich in ihnen aufrichten könne. Vom Dorf Gaufeld oder Coofeld waren verschiedene von dortigen Erweckten hier, zwei Bäuerinnen von solchen waren bei mir, und ihr Bericht stimmet mit dem überein, was Sie mir davon gemeldet haben, diese Bäuerinnen heißen Margret Ilsebein und Catharine Hartzieger, Ihnen zur Nachricht, wenn Sie durch diese Gegend wieder marschieren sollten, ich gab ihnen einige Bücher; auch das kurze Mittel und Prophezey der M. G. einer andern Weibsperson, die sich auch Ilsebein nannte, und aus dem Ottokrug ist. Die Freunde auf dem Salzwerk, die von Hehlen und Hr. Weyl, lassen Sie hinwieder herzlich grüßen, und erfreuen sich nebst [60]meinen Hausgenossen und mir, daß Sie sich wohl befinden.

Wann Hameln sollte belagert werden, werden Sie sehr wohl thun, ihre Frau und Kinder vorher von dannen weg, und an einen andern Ort zu schicken. Was mich betrift und nach meiner kleinen Einsicht, kann ich mir nicht vorstellen, daß die Franzosen Hameln sollten belagern wollen, so lang die alliirte Armee noch ganz und im jetzigen Stande ist, wann sie aber von den Franzosen geschlagen zu werden das Unglück hätten, alsdann kann es eher geschehen, daß die Franzosen eine Belagerung unternehmen. Ist der Ruf wahr, daß die Russen sich zurück ziehen, so werden die klugen französischen Generals um so weniger gedenken Hameln zu belagern, als es leicht, ja gewiß geschehen würde, daß der König in Preußen ein Heer nach Niedersachsen detachiren würde, wodurch den Franzosen Zufuhr und Retraite abgeschnitten werden würde, wann sie sich in die Weser Berge engagirten. Man debitiret hier noch andere Neuigkeiten, da solche aber von Hameln kommen sollen, so werden Sie alles besser und gewisser wissen. Ich wünsche wohl, daß Sie uns wieder besuchen möchten; allein in jetziger Crisis ist es Ihnen nicht rathsam, und ändern sich die Sachen, so ist zu befürchten, daß ein neuer Marsch Sie verhindern würde, hieher zu kommen. Man muß also die Vorsehung Gottes machen lassen, und von derselben erwarten, wann und wie Sie uns [61]sicher werden besuchen können, welches uns allezeit sehr lieb seyn wird. Ich hoffe, daß der Hr. General von Pr. da er einen Paß hat, daß er hier den Brunnen getrunken, ohne Anstoß seinen Weg wird fortgesetzet haben, es ist mir lieb, daß Sie mit ihm und seinem Herrn Sohn gesprochen haben. Er, der Herr General, ist ein eben so tapferer wohlmeritirter Officier, als sein Herz rechtschaffen an Gott ist. Hr. Weyl ist gegenwärtig noch hier, und wird wohl bis gegen das Ende der künftigen Woche hier verbleiben. Er hat mir ein Portrait von M. G. von Hrn. Schepp verfertiget, mitgebracht, das sehr schön ausgearbeitet ist. Es hat mich innigst erfreuet, daß Sie nach dem Innern Ihren Weg zu Gott fortsetzen. Seyn Sie getreu bei der unschätzbar großen Gabe und Gnade, die Sie von Gottes Erbarmen empfangen haben, daß er Sie ins Innere Gebet eingeführet hat. Trachten Sie den salbungsvollen Frieden der wahrnehmlichen Gegenwart Gottes in Ihrer Seele zu bewahren; dieses ist das Manna und Brod des Lebens, das Ihre Seele stärken, bewahren, und von einer Gnade zur andern führen wird. Sie werden aber diese innere Ruhe und Frieden erhalten und bewahren, wann Sie der innern Stimme Gottes folgen werden, das Böse zu vermeiden und das Gute zu vollbringen. Jesus seegne Sie, er stärke, schütze und erhalte Sie, und gebe Ihnen seinen Frieden. Sie sind mir und meinen Hausgenossen innigst lieb, und [62]ich hoffe im Geist Jesu mit Ihnen vereiniget zu bleiben. Ich und meine Hausgenossen grüßen Sie herzlich. Auch wird Ihre liebe Frau herzlich gegrüßet. Es scheinet, daß es sich mit meiner Gesundheit bessert. Allein hierauf ist nicht zu bauen, Gott, schreibet M. G. ändert die Disposition auch des Leibes und der Gesundheit vielmals, und setzet die Seele in allerlei Stellung, damit sie in ihrem unumschränkten Abhangen von dem Willen Gottes bei allerlei Proben fest bleibe. Gott wird ferner thun, was sein heiliger Wille ist. Amen! Wie Hr. Pastor Dannemann innerlich stehet, so stehen die meisten Pastores, die würklich Gott fürchten, aber bei ihren Lehrbegriffen stehen bleiben. Sie verstehen nicht, was mystische Schriften sind, indem sie keine Erfahrung davon haben. Es ist auch nicht gut, sich mit solchen, wann sie nicht was tiefes erkennen noch haben, allzu bekannt zu machen, weil man leicht mit einem Heuchler könnte bekannt werden, der sich gut zu seyn stellen könnte, und alsdann könnte ein solcher Ihnen leichtlich Verfolgung und allerlei Leiden erwecken. Jedoch hoffe ich, daß Gott Sie erhalten und hierinnen bewahren werde. In Bergholzhausen bei Ravensberg soll ein sehr frommer Pastor seyn, Namens Hr. Pauli, ein Landmann daselbst, Namens Herrmann Christoph Rihberg, sagte mir vieles von demselben. Ein frommer Sattler soll in Herford wohnen. Zu Güterslose, in der Grafschaft Reda, ist auch ein [63]frommer Oberpfarrer, Namens Hr. Edler, und daselbst ist auch eine Weibsperson, Gerdrut Frederich, denen ich der M. Guion Bücher gegeben habe. Wann Sie wieder nach Bielefeld kommen sollten, werden Sie daselbst und in der dortigen Gegend viele Freunde sehen, die sich über Ihre Ankunft sehr erfreuen werden.

Ich grüße Sie nochmals herzlich, Sie sind mir innigst lieb, laßt uns in dem Liebesherzen Jesu uns sehen. Jesus seegne Sie, und gebe Ihnen seinen Frieden, Amen. Schreiben Sie mir oft, so lange Sie noch in Hameln sind. Adieu!


den 31. August 1759.

Ihr Brief war mir sehr erfreulich, und hatte Hr. Weil mir schon gemeldet, daß Sie ihn mit einem Besuch erfreuet hätten. Da Gott Sie bisher so gnädig und wunderbar, bei Ihrem schwachen Körper erhalten hat, so wird Gott dieses noch ferner thun, und Sie schützen und bewahren, wenn Sie nur in seiner Gegenwart stets zu wandeln trachten werden. Gott sagte zu der heiligen Gertrud: Sorge du für mich, so will ich für dich sorgen. Dieses appliciren Sie auf sich, und glauben gewiß, daß die Treue dessen, der der Treue und Wahrhaftige ist, seine arme Creatur, die ihr gänzliches Vertrauen auf ihn setzet, nimmermehr verlas-[64]sen noch versäumen wird. Jesus seegne Sie, er stärke Ihren Glauben und Vertrauen in ihm, er schütze und erhalte Sie, und gebe Ihnen seinen Frieden, Amen! So herrlich und geseegnet von Gott der Sieg bei Minden gewesen, so hat uns doch die Nachricht von dem Verlust der Preußen bei Kunersdorf den 12. dieses in Besorgniß gesetzet. Wir müssen aber allezeit sagen: Herr du bist gerecht, und deine Gerichte sind auch recht! Nachdem die ......länder genug werden gelitten haben, und darinnen durch die Trübsale viele Seelen werden zubereitet worden seyn, daß die Gnade Gottes in ihnen wirken kann; nachdem auch der König in Pr. sich vor Gott genugsam wird gedemüthiget haben, wird sich das Unglück wenden, und alles unendlich besser und glücklicher gehen, als man es hätte hoffen können. Wir müssen Gott vertrauen. Gott wird, wie M. G. sagt, seinen Knechten den Propheten, den ihnen verheißenen Lohn auch darinnen geben, daß er aller Welt zeigen wird, wie das, was er Sie, durch seinen Geist getrieben, hat reden und schreiben gemacht, wahr sey, und aufs genaueste erfüllet werden muß. Durch Antrieb des Geistes Gottes schrieb M. G. von diesem allerblutigsten Kriege, den wir jetzo haben, welches und unzählig anderes aufs genaueste ist erfüllet worden. Was sie vom König dem Ueberwinder geschrieben, davon ist zwar die Deutung noch einigem Zweifel unterworfen, allein so viele andere Kennzeichen schei-[65]nen zu vergewissern, daß dieser König der Ueberwinder, der König in Preußen sey, aber dieser, schreibet sie, soll siegen, nachdem Satanas sich aus allen Kräften wird gewehret haben, und alsdann soll er siegen, und alles dem Reiche Jesu Christi unterwerfen, allein der Streit werde erschrecklich seyn. Wenn der Streit erschrecklich seyn soll, ja wenn alles scheinen soll, als ob alles geschehen, und alles bis zur Verzweiflung gestiegen sey; so folget ja, daß die Feinde des Königs, des Ueberwinders, auch manchen großen Vortheil werden gehabt haben müssen, ehe sie besieget, und alles dem Reiche Jesu Christi unterworfen worden. Mir kamen bei der vorgemeldeten Schlacht vom 12. dieses, die Worte des Davids (1 Sam. 17.) ins Gemüthe: Es entfalle keinem das Herz. Wir wollen Gott vertrauen, Gott wird helfen, Amen! Ich hoffe und erwarte einen Streich von der Hand unsers allerheiligsten Gotteskindes Jesu, zu unserer Errettung.

Man debitiret hier, daß Münster in der Alliirten Händen sey. Ist dieses, so werden Sie vielleicht weiter marschieren müssen.

Wann Sie nun wieder gute, dem Innern ergebene Seelen antreffen, so grüßen Sie dieselben von mir, und geben mir mit Gelegenheit Nachricht von ihnen.

Ich und meine Hausgenossen grüßen Sie herzlich, und hoffen auch, wenn Sie in die Nähe kommen, (woran ich vor Ende dieser Campagne zweifle, [66]aber vielleicht bei den Winterquartieren) daß Sie uns besuchen werden. Die Freunde auf dem Salzwerke grüßen Sie ebenfalls. Jesus seegne Sie und gebe Ihnen seinen Frieden. Ich hoffe, Sie werden getreu seyn in der Gnade, dieGott Ihnen schenket. Adieu!


den 28. May 1759.

Was Sie von Ihrem Innern melden, hat mich sehr erfreuet, ich hoffe ebenfalls, daß Ihr Besuch bei uns im Seegen gewesen, und Ihnen nützlich seyn werde. Seyn Sie ja getreu, in der Ordnung Gottes zu bleiben, und alle Excesse im Trinken zu meiden. Ein Fehler bleibt selten allein, es folgen mehrere aus einem, die unser Inners gar verstellen. Suchen Sie auch in der Trockenheit und Blöße, und in allen innern Schmerzen sich stets in der Gegenwart Gottes zu halten, und wann Sie sich zerstreuet befinden, so lesen Sie etwas in M. G. und dergleichen Schriften. Beim Feuer erwärmet man sich, bleibt man zu lange vom Feuer entfernet, so wird man immer kälter, und endlich erstarren alle Glieder. Wie dieses in der Natur ist, so ist es auch in der Gnade: daher muß man keinen Augenblick versäumen, wieder zu Gott zu kehren, wenn man merket, daß man sich von Gott entfernet hat. In der Trockenheit, Blöße und innern Druck hält [67]es schwer, sich zu Gott zu halten: allein man muß hier Gewalt brauchen, die Natur überwinden, und sich dennoch in der Gegenwart Gottes halten. Taulerus sagt: Es sind noch wohl Menschen, die Gott ums Lohn dienen, wann er uns Trost und Süßigkeit innerlich giebt, aber Gott ohne Sold, in der Blöße, Trockenheit und innern Leiden dienen, das wollen wenige. Und ein anderer Heiliger sagte: Wann wir bei Gott aushalten in der Trockenheit, Blöße, Creuz und Leiden; damit beweisen wir Gott unsere Liebe und Treue: wann aber Gott uns Trost und Süßigkeit mittheilet, so ist es Gott, der uns seine Treue und Liebe erweiset, welches geschiehet um unserer Schwachheit willen. In dem Stande von Innen, worin Sie sich befinden, erfähret man zweierlei, innern Druck und Peinlichkeit. Das eine wird verursachet durch unsre Untreue, welches wir bald merken können, und den Fehler sogleich verbessern müssen. Das andre Leiden ist der Hunger der Seele nach dem lebendigen Gott. Wir hungern, verlangen und sehnen uns nach Gott, weil wir aber noch unsere Satisfaktion, Trost, Geschmack, Süßigkeit dabei suchen und darnach hungern, und dieses letztere wohl der hauptsächlichste Gegenstand unsers Verlangens ist, und wir um die Reinigkeit der Liebe zu Gott, und um Gottes eigenes Interesse und Ehre weniger bekümmert sind; so ist dieser Hunger und Verlangen der Seele noch viel zu unrein, als daß Gott diesen Hunger mit sich [68]selbst sättigen könnte, daher stößet er die Seele, die er mit diesem von ihm gegebenen Hunger zugleich zu sich ziehet, zurück, damit sie allmählich lerne, alles eigne Gesuch fahren zu lassen, und Gott in Reinigkeit zu lieben um sein selbst willen, und nicht aus Interesse noch Absicht auf uns. Dieser Hunger macht ein Hauptstück unserer Reinigung in dieser Welt, und ist das Reinigungsfeuer und Fegfeuer in jener Welt, für solche Seelen, die in der Unvollkommenheit abgeschieden sind, und da hier in dieser Welt die Gnadenzeit ist, sie aber solche versäumet haben, oder untreu gewesen, denen reinigenden Bewürkungen der Gnade stille zu halten, so verursachet dieser ihr Hunger und Verlangen nach etwas, das sie nicht haben können, ihnen eine solche Pein, die alles unendlich übertrift, was man davon sagen kann. Die verdammten Seelen und bösen Geister haben auch diesen Hunger, ja einen rasenden Wolfshunger, aber nicht nach Gott, sondern bloß nach einer Glückseligkeit, die sie verscherzet haben, und bis nach Endigungen der Saecula Saeculorum nicht mehr haben können, und in der Ersättigung mit Gott in der Zeit ihrer Verdammniß auch nicht haben wollen, denn sie hassen, verabscheuen und lästern Gott, und sind in einer immerwährenden Rebellion wider Gott, und fliehen vor ihm. Da aber ihre Seele die Eigenschaft, die ihr anerschaffen ist, und nimmermehr von ihr geschieden werden kann, hat, daß sie [69]gern glückselig und vergnügt seyn wollen, sie aber dieser Glückseligkeit sich auf immer und ewig beraubt zu seyn glauben, dennoch aber einen wüthenden Wolfshunger darnach haben, so verursachet dieses ihnen eine so unaussprechlich große Höllenqual, dafür auch die Teufel selbst erzitterten, da sie zu Jesu Christo sprachen: Du bist kommen uns zu quälen, ehe denn es Zeit ist. Und dieser wüthende Wolfshunger ist der nagende Wurm, der nicht stirbt, wie Jesus Christus sagt. Hierzu kommen noch andre unaussprechliche Quaalen, und die Gesellschaft unzähliger anderer verdammten Geister, welche die verdammten Seelen und verdammten Geister werden leiden müssen. Gleichwie aber diese nach einer satisfaksanten Glückseligkeit hungernde und begehrende Eigenschaften von der Seele von den verdammten Seelen immer und in alle Ewigkeiten der Ewigkeiten nicht kann getrennet werden, und eben dieses der allerpeinlichste Theil ihrer Höllenqual ist; so wird auch eben diese Eigenschaft Ursach zu ihrer endlichen Wiederbringung und Wiederaufrichtung in die göttliche Gnade seyn: denn wenn dieser nagende Wurm, der nicht stirbt, ferner die quälende Gesellschaft der andern verdammten Geister, und andre unaussprechlich große Quaalen, durch so viele Saecula Saeculorum hindurch gewähret, sie so abgemattet, ermüdet und in die Enge getrieben hat, daß sie es gar nicht mehr ertragen noch ausstehen können, Gott aber aus [70]Gnaden, und um des unermeßlich großen und ewigen Verdienstes Jesu Christi willen, ihnen einen Blick der Hofnung giebt, daß sie, wenn sie sich unter Gott demüthigen und beugen wollen, ihnen wohl Gnade wiederfahren, und sie ihre verlohrne Glückseligkeit wieder erlangen können; so ist kein Zweifel, daß sie diesen Blick der Hofnung ergreifen, und wie der verlohrne Sohn sich in wahrer Reue zu Gott wieder wenden werden: und dieses wird alsdann der Anfang seyn, daß von diesem Augenblick an, ihre Höllenpein sich in ein Reinigungsfeuer, wie bei den Seelen im Fegfeuer, verwandeln wird. Und ob sie gleich eben wie zuvor in der Hölle bei den verdammten Geistern, so lange ihre Reinigung währen und dauern wird, bleiben und aushalten müssen, gleichwie die bekehrten Sünder in der Welt unter den Bösen, von denen sie unzählige Uebel erdulden müssen, bleiben und aushalten müssen; so ist doch von diesem Augenblick an, da sie den Willen sich unter Gott zu demüthigen, gefaßt haben, ihr innerer Zustand verändert, und ihre Reinigung angefangen, welche wird vollendet und vollführet werden. Wann Jesus Christus (1 Cor. 15, 22 bis 28.) den letzten Feind, den Tod, wird aufgehoben haben, nämlich, wann der feurige Schwefelpfuhl, (Apoc. 20, 14.) welches ist der andre Tod, ganz und gar nicht mehr seyn, und von Jesu Christo aufgehoben, das ist, ganz und gar zernichtet seyn wird; alsdann, und wann alle und [71]jede gefallne Creatur, keine einzige ausgenommen, Jesu Christo wieder freiwillig und aus Liebe wird unterthan gemacht worden seyn, alsdann wird er das Reich Gott und dem Vater überantworten, damit Gott alles in allem sey. Alsdann haben aufgehöret alle Zeiten und Weltalter, und die ewige niemals sich endigende Glückseligkeit aller und jeder Creaturen, keine ausgenommen, nimmt ihren Anfang.

Sie werden aus diesem Allem, was ich Ihnen von dem Hunger der Seelen geschrieben habe, so viel auf Ihren Zustand appliciren können, daß es gar nicht darauf ankommt, ob Sie innerlich etwas deutliches von der Gnade Gottes wahrnehmen oder nicht, indem, wann Sie es deutlich wahrnehmen thäten, so müste es erstlich durch einige satisfaksante Sättigung des Hungers, und die Ihnen Zugleich ein Licht giebt, geschehen, und dieses würde Sie aus dem Reinigungsstande heraussetzen, und ihre Reinigung um eben so lange aufhalten und verspäten, als der wahrnehmliche Eindruck hiervon in ihrer Seele haften würde. Zweitens würden Sie sich dessen anmaßen und darinnen sich wohlgefallen, welches ein unaussprechlich großes Uebel für Sie seyn würde. Sie müssen also auf keine wahrnehmliche Tröstungen warten noch solche verlangen, sondern diesen peinlichen Reinigungshunger in der Ueber-[72]gabe und Unterwerfung unter Gottes Willen erdulden wollen, so lange Gott solchen auf Ihnen lassen will. Sind Sie in dieser Uebergabe, so werden Sie allezeit dabei einen Non trouble (wie M. Guion solches nennet) haben, das ist, eine Nichtunruhe, eine Nichtverwirrung, und hierdurch werden Sie in allen Zeiten, da dieser peinliche Hunger sich empfindlich spüren läßt, aushalten können. Es kommen jedoch, und um der Seelen Schwachheit willen, Zwischenzeiten, da dieser quälende Hunger nachläßt, und man wieder Ruhe und Erquickung empfindet. Diese Abwechselungen müssen Sie so erdulden, und sich so viel möglich enthalten, etwas zu wünschen noch zu begehren, nämlich nicht mit dem obern an Gott überlassenen Willen, welches Sie sehr fördern wird, immer weiter fort zu schreiten. Kommt der quälende Hunger, so dulden und tragen Sie ferner denselben so gut Sie können; kommen Tröstungen, so gedenken Sie an die Worte des Engels zum Elia, da er ihm Brod und Wasser brachte, oder an die Worte der heiligen Schrift: er, der Elias, gieng durch die Kraft dieser Speise bis an den Berg Horeb, vierzig Tage und vierzig Nächte. Diese vierzige Zahl beziehet sich auf unsre Reinigung, (auf die vierzig Stunden Jesu Christi im Grabe, auf seine vierzigtägige Versuchung vom Satan, auf die vierzig Jahre der Israeliten in der Wüsten etc.) und diese Erquickungen der [73]Speise sind uns auch nöthig, um der Schwachheit unserer Seele willen. Daher wir es in Demuth annehmen müssen, aber auch diese Speise der Tröstungen nicht länger behalten wollen, als Gott sie uns läßt, um unsern Weg in der Reinigung fortzusetzen.

Noch weniger aber müssen Sie verlangen, etwas deutliches in sich wahrzunehmen oder zu empfinden, oder eine große Veränderung zu erfahren; das erste ist ganz und gar wider Ihren Stand, dann Sie sollen keinen Lichtsweg gehen, sondern im dunkeln Glauben, in der dunkeln Glaubenswüste wandeln. Das letzte aber, eine große Veränderung zu erfahren, das ist, das würklich verborgene Leben mit Christo in Gott, darzu ist bei Ihnen die Zeit noch lange nicht. Sie werden aber nach und nach, und wann Sie in allem, wie ich oben gemeldet, getreu seyn werden, dahin geführet werden, daß Sie, obschon unter unzähligem Elend, das Zeugniß der Kindschaft Gottes in sich fühlen und empfinden werden.

Dieses sey für diesmal genug, zur Beantwortung dessen, was Sie von mir zu wissen verlangt haben. Die eigne Erfahrung und M. G. Schriften, werden Ihnen künftig, und nach und nach, mehreres aufschließen.

[74]

Ich und meine Hausgenossen grüßen Sie herzlich und innigst. Der Engel des Herrn geleite, schütze und bewahre Sie in Ihrem Beruf und Amte. Jesus seegne Sie, er schütze und erhalte Sie, er erhalte Sie gesund, und gebe Ihnen seinen Frieden. Ich hoffe, wir werden in dem Willen Gottes zusammen vereiniget bleiben, Amen.

Fußnoten:

1: *) Ich besitze die Originale von diesen merkwürdigen Briefen eines sehr merkwürdigen Mannes, und theile sie hier mit, weil sie mit dem Leben und dem Charakter dieses Mannes, von dem ich noch öfter reden werde, zusammen genommen, für den Psychologen in mehr als einer Rücksicht interessant sind. <M. >

Erläuterungen:

a: Vgl. zu Fleischbein und den Schriften der Madame Guyon, Wingertszahn 2002, S. 63-92, 99f., Wingertszahn 2005, S. 275f. und KMA 1, S. 609-611, 760-773