ΓΝΩΘΙ ΣΑΥΤΟΝ oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde

Herausgegeben von: Karl Philipp Moritz, Karl Friedrich Pockels und Salomon Maimon
Digitale Edition herausgegeben von Sheila Dickson und Christof Wingertszahn


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II.

Fortsetzung des Fragments aus Anton Reisers Lebensgeschichte. a

Moritz, Karl Philipp

S. 2 ten B. 1 stes St. p. 76.)

Bald darauf wurde er auch ohngeachtet alles seines Flehens und Bittens von seinem geliebten Schreibmeister getrennt.

[23]

Dieser hatte freilich einige Nachläßigkeiten in Antons Schreib- und Rechenbuche passieren lassen, worüber sein Vater aufgebracht war.

Anton nahm mit dem größten Eifer alle Schuld auf sich, und versprach und gelobte, was nur in seinen Kräften stand, aber alles half nichts; er mußte seinen alten treuen Lehrer verlassen, und zu Ende des Monaths anfangen, in der öffentlichen Stadtschule schreiben zu lernen.

Diese beiden Schläge auf einmal waren für Anton zu hart. Er wollte sich noch an die letzte Stütze halten, und sich von seinen ehemaligen Mitschülern jedes aufgegebene Pensum sagen lassen, um es zu Hause zu lernen, und auf die Weise mit ihnen fortzurücken, als aber auch dieß nicht gehen wollte, so erlag seine bisherige Tugend und Frömmigkeit, und er ward wirklich eine zeitlang aus einer Art von Mißmuth und Verzweiflung, was man einen bösen Buben nennen kann.

Er zog sich muthwilliger Weise in der Schule Schläge zu, und hielt sie alsdann mit Trotz und Standhaftigkeit aus, ohne eine Miene zu verziehn, und dieß machte ihm dazu ein Vergnügen, daß ihm noch lange in der Erinnerung angenehm war.

Er schlug und balgte sich mit Straßenbuben, versäumte die Lehrstunden in der Schule, und quälte einen Hund, den seine Eltern hatten, wie und wo er nur konnte.

[24]

In der Kirche, wo er sonst ein Muster der Andacht gewesen war, plauderte er mit seines Gleichen den ganzen Gottesdienst über.

Oft fiel es ihm ein, daß er auf einem bösen Wege begriffen sey, er erinnerte sich mit Wehmuth an seine vormaligen Bestrebungen, ein frommer Mensch zu werden, allein so oft er im Begriff war umzukehren, schlug eine gewisse Verachtung seiner selbst, und ein nagender Mißmuth seine besten Vorsätze nieder, und machte, daß er sich wieder in allerlei wilden Zerstreuungen zu vergessen suchte.

Der Gedanke, daß ihm seine liebsten Wünsche und Hofnungen fehlgeschlagen, und die angetretene Laufbahn des Ruhms auf immer verschlossen war, nagte ihn unaufhörlich, ohne daß er sich dessen immer deutlich bewußt war, und trieb ihn zu allen Ausschweifungen.

Er ward ein Heuchler gegen Gott, gegen andre, und gegen sich selbst. Sein Morgen und Abendgebet laß er pünktlich wie vormals, aber ohne alle Empfindung.

Wenn er zu dem alten Manne kam, that er alles, was er sonst mit aufrichtigem Herzen gethan hatte, aus Verstellung, und heuchelte in frommen Mienen und aufgeschriebenen Worten, worinn er fälschlich einen gewissen Durst und Sehnsucht nach Gott vorgab, um sich bei diesem Manne in Achtung zu erhalten.

[25]

Ja zuweilen konnte er heimlich lachen, indes der alte Mann sein Geschriebenes las. So fing er auch an, seinen Vater zu betrügen. Dieser ließ sich einmal gegen ihn verlauten: damals vor drei Jahren sey er noch ein ganz anderer Knabe gewesen, als er in P.. sich weigerte eine Nothlüge zu thun, indem der den Engländer verläugnen sollte.

Weil sich nun Anton bewußt war, daß gerade dieß damals mehr aus einer Art von Ostentation, als würklichem Abscheu gegen die Lüge geschehen sey, so dachte er bei sich selber: wenn sonst nichts verlangt wird, um mich beliebt zu machen, das soll mir wenig Mühe kosten, und nun wußte er es im kurzen durch eine Art von bloßer Heuchelei, die er doch aber vor sich selber als Heuchelei zu verbergen suchte, so weit zu bringen, daß sein Vater über ihn mit dem Herrn v. F. korrespondirte, und denselben von Antons Seelenzustande Nachricht gab, um seinen Rath darüber einzuhohlen.

Indes wie Anton sahe, daß die Sache so ernsthaft wurde, ward er auch ernsthafter dabei, und entschloß sich zuweilen, sich nun im Ernst von seinem bösen Leben zu bekehren, weil er die bisherige Heuchelei nicht länger mehr vor sich selbst verdecken konnte.

Allein nun fielen ihm die Jahre ein, die er von der Zeit seiner vormaligen wirklichen Bekehrung an versäumt hatte, und wie weit er nun schon seyn [26]könnte, wenn er das nicht gethan hätte. Dieß machte ihn äußerst mißvergnügt und traurig.

Ueberdem las er bei dem alten Manne ein Buch, worinn der Proceß der ganzen Heilsordnung, durch Buße, Glauben, und gottseelig Leben, mit allen Zeichen und Symptomen ausführlich beschrieben war.

Bei der Buße mußten Thränen, Reue, Traurigkeit, und Mißvergnügen seyn: dies alles war bei ihm da.

Bei dem Glauben mußte eine ungewohnte Heiterkeit und Zuversicht zu Gott in der Seele seyn: dieß kam auch.

Und nun mußte sich drittens das gottseelige Leben von selber finden: aber dieß fand sich nicht so leicht.

Anton glaubte, wenn man einmal fromm und gottseelig leben wolle, so müsse man es auch beständig, und in jedem Augenblicke, in allen seinen Minen und Bewegungen, ja sogar in seinen Gedanken seyn; auch müsse man keinen Augenblick lang vergessen, daß man es seyn wolle.

Nun vergaß er es aber natürlicher Weise sehr oft: seine Miene blieb nicht ernsthaft, sein Gang nicht ehrbar, und seine Gedanken schweiften in irrdischen weltlichen Dingen aus.

Nun glaubte er, sey alles vorbei, er habe noch so viel, wie nichts gethan, und müsse wieder von vorn anfangen.

[27]

So ging es oft verschiednemale in einer Stunde, und dieß war für Anton ein höchst peinlicher und ängstlicher Zustand.

Er überließ sich wieder, aber beständig mit Angst und klopfendem Herzen, seinen vorigen Zerstreuungen.

Dann fing er das Werk seiner Bekehrung einmal von vorn wieder an, und so schwankte er beständig hin und her, und fand nirgends Ruhe und Zufriedenheit, indem er sich vergeblich die unschuldigsten Freuden seiner Jugend verbitterte, und es doch in dem andern nie weit brachte.

Dieß beständige Hin- und Herschwanken ist zugleich ein Bild von dem ganzen Lebenslauf seines Vaters, dem es im funfzigsten Jahre seines Lebens noch nicht besser ging, und der doch immer noch das Rechte zu finden hofte, wornach er so lange vergeblich gestrebt hatte.

Mit Anton war es anfänglich ziemlich gut gegangen: allein seitdem er kein Latein mehr lernen sollte, litte seine Frömmigkeit einen großen Stoß; seine Frömmigkeit war nichts als ein ängstliches, gezwungenes Wesen, und es wollte nie recht mit ihm fort.

Er las darauf irgendwo, wie unnütz und schädlich das Selbstbessern sey, und daß man sich bloß leidend verhalten, und die göttliche Gnade in sich würken lassen müsse: er betete daher oft sehr auf-[28]richtig: Herr, bekehre du mich, so werde ich bekehret! aber alles war vergeblich.

Sein Vater reißte diesen Sommer wieder nach P.., und Anton schrieb ihm, wie schlecht es mit dem Selbstbessern vorwärts ginge, und daß er sich wohl darinn geirrt habe, weil die göttliche Gnade doch alles thun müsse.

Seine Mutter hielt diesen ganzen Brief für Heuchelei, wie er denn wirklich nicht ganz davon frei seyn mochte, und schrieb eigenhändig darunter: Anton führt sich auf, wie alle gottlose Buben.

Nun war er sich doch eines wirklichen Kampfes mit sich selbst bewußt, und es mußte also äusserst kränkend für ihn seyn, daß er mit allen gottlosen Buben in eine Klasse geworfen wurde.

Dieß schlug ihn so sehr nieder, daß er nun wirklich eine Zeitlang wieder ausschweifte, und sich muthwillig mit wilden Buben abgab; worinn er denn durch das Schelten, und sogenannte Predigen seiner Mutter noch immer mehr bestärkt wurde: denn dieß setzte ihn immer noch tiefer herab, so daß er sich oft am Ende selbst für nichts mehr, als einen gemeinen Gassenbuben hielt, und nun um desto eher wieder Gemeinschaft mit ihnen machte.

Dieß dauerte, bis sein Vater von P.. wieder zurückkam.

Nun eröfneten sich für Anton auf einmal ganz neue Aussichten. Schon zu Anfange des Jahres war seine Mutter mit Zwillingen niedergekommen, [29]wovon nur der eine leben blieb, zu welchem ein Hutmacher in B. Nahmens L.. Gevatter geworden war.

Dieser war einer von den Anhängern des Herrn v. F.. wodurch ihn Antons Vater schon seit ein paar Jahren kannte.

Da nun Anton doch einmal bei einem Meister sollte untergebracht werden, (denn seine beiden Stiefbrüder hatten nun schon ausgelernt, und jeder war mit seinem Handwerke unzufrieden, wozu er von seinem Vater mit Gewalt gezwungen war) und da der Hutmacher L.. gerade einen Burschen haben wollte, der ihm fürs erste nur zur Hand wäre, welch eine herrliche Thüre eröfnete sich nun, nach seines Vaters Meinung, für Anton, daß er eben so, wie seine beiden Stiefbrüder, bei einem so frommen Manne, der dazu ein eifriger Anhänger des Herrn von F.. war, schon so früh könne untergebracht, und von demselben zur wahren Gottseeligkeit und Frömmigkeit angehalten werden.

Dieß mochte schon länger im Werke gewesen seyn, und war vermuthlich die Ursach, warum Antons Vater ihn aus der lateinischen Schule genommen hatte.

Nun aber hatte Anton, seitdem er Latein gelernet, sich auch das Studiren fest in den Kopf gesetzt; denn er hatte eine unbegränzte Ehrfurcht gegen alles, was studiert hatte, und einen schwar-[30]zen Rock trug, so daß er diese Leute beinahe für eine Art übermenschlicher Wesen hielt.

Was war natürlicher, als daß er nach dem strebte, was ihm auf der Welt das Wünschenswertheste zu seyn schien?

Ein Prediger, der seiner Eltern Hause gegen über wohnte, stand zuweilen in seiner schwarzen Kleidung und mit dem Kragen vor der Thüre, und Anton konnte ihn stundenlang mit der tiefsten Ehrfurcht betrachten; die Knöpfe an seinem Kleide, die weissen Streifen, welche unter dem Ermel hervorguckten, alles war ihm heilig, und er konnte zuweilen im Ernst untersuchen, ob ein solcher auch wohl ein Mensch wie andre Menschen seyn möchte.

Nun hieß es, der Hutmacher L.. in Braunschweig wolle sich Antons wie ein Freund annehmen, er solle bei ihm wie ein Kind gehalten seyn, und nur leichte und anständige Arbeiten, als etwa Rechnungen schreiben, Bestellungen ausrichten, u.d.gl. übernehmen, alsdenn solle er auch noch zwei Jahre in die Schule gehen, bis er konfirmirt wäre, und sich dann zu etwas entschließen könnte.

Dieß klang in Antons Ohren äußerst angenehm, insbesondre der letzte Punkt von der Schule; denn wenn er diesen Zweck nur erst erreicht hätte, glaubte er, würde es ihm nicht fehlen, sich so vorzüglich auszuzeichnen, daß sich ihm zum Studieren von selber schon Mittel und Wege eröfnen müßten.

[31]

Er schrieb selber zugleich mit seinem Vater an den Hutmacher L.., den er schon im Voraus innig liebte, und sich auf die herrlichen Tage freute, die er bei ihm zubringen würde.

Und welche Reize hatte die Verändrung des Orts für ihn! Der Aufenthalt in Hannover, und der ewige einförmige Anblick eben derselben Strassen und Häuser ward ihm nun unerträglich: neue Thürme, Thore, Wälle, und Schlösser stiegen beständig in seiner Seele auf, und ein Bild verdrängte das andre.

Er war nie ruhig, und zählte Stunden und Minuten bis zu seiner Abreise.

Ein Ausschlag am Kopf verzögerte dieselbe zu seinem größten Mißvergnügen: allein dieser legte sich, auch war der Schaden am Fuß aus dem Grunde geheilt, und nun weiter kein Hinderniß mehr übrig.

Es wurden alle Anstalten zur Abreise gemacht. Seine Mutter ermahnte ihn alle Tage mit Sprüchen aus der Bibel, und wie sich einer krümmen und bücken müsse, wenn er durch die Welt kommen wolle, und dergleichen mehr, das freilich nicht die mindeste Wirkung that, weil er dasselbe schon tausendmal bis zum Eckel von ihr gehört hatte.

Seine Ausstattung von seinen Eltern war äußerst schlecht, und wären ihm nicht von guten Leuten noch einige Kleidungsstücke geschenkt worden, [32]so wäre er wie ein Bettelknabe nach Braunschweig gekommen.

Hierüber wäre freilich nichts zu sagen, wenn nur Antons Eltern nicht mehr hätten thun können. Allein die beständige Zwietracht brachte, bei einer mehr als hinlänglichen Einnahme für Leute von ihrem Stande, dennoch ihre Wirthschaft so in Unordnung, daß sie nie etwas für sich oder ihre Kinder erübrigen konnten, und doch dabei nur ein kümmerliches Leben führten.

Der erwünschte Tag zur Abreise war endlich da. Anton nahm von seiner Mutter, und von seinen beiden Brüdern abschied, wovon der ältere Christian fünf Jahr, und der jüngere Simon, der nach dem Hutmacher L.. genannt war, kaum ein Jahr alt seyn mochte.

Sein Vater reißte mit ihm, und es ging nun halb zu Fuße halb zu Wagen, mit einer wohlfeilen Gelegenheit fort.

Antons Vater war nehmlich mit Fuhrleuten, die des Weges nach Braunschweig Kohlen brachten, um ein geringes einig geworden, daß er und sein Sohn sich zuweilen aufsetzen durften, wenn sie müde waren.

Anton genoß nun zum erstenmale in seinem Leben das Vergnügen, zu wandern, welches ihm in der Zukunft mehr wie zu häufig aufgespart war.

Sie schliefen die Nacht in einem Dorfe mit den Fuhrleuten auf der Streu.

[33]

Den andern Morgen vor Tagesanbruch ging es schon wieder fort, über Peine und Fecheln nach Braunschweig zu; vor Fecheln nahmen die Fuhrleute einen andern Weg, und nun mußte zu Fuße gegangen werden.

Je mehr sie sich Braunschweig näherten, war Antons Herz voll Erwartung, wie seine Beine voll Ermüdung.

Der Andreasthurm ragte mit seiner rothen Kuppel majestätisch hervor. Es war gegen Abend, Anton sahe in der Ferne die Schildwachen auf dem hohen Walle hin und her gehen.

Tausend Vorstellungen, wie sein künftiger Wohlthäter aussehen, wie sein Alter, sein Gang, seine Miene seyn werde, stiegen in ihm auf und verschwanden wieder.

Er setzte endlich von demselben ein so schönes Bild zusammen, daß er ihn schon im Voraus liebte.

Ueberhaupt pflegte Anton in seiner Kindheit durch den Klang der eignen Nahmen von Personen oder Städten zu eignen Bildern und Vorstellungen von den dadurch bezeichneten Gegenständen veranlaßt zu werden.

Die Höhe oder Tiefe der Vokale in einem solchen Nahmen trug zur Bestimmung des Bildes das meiste bei.

So klang der Nahme Hannover beständig prächtig in seinen Ohren, und ehe er es sahe, war es ihm ein Ort mit hohen Häusern und Thürmen, [34]und von einem hellen und lichten Ansehen. Braunschweig schien ihm länglicht, von dunklerem Ansehen, und größer zu seyn, und noch itzt stellt er sich Paris, das er nicht gesehen hat, nach eben einem solchen dunklen Gefühl bei dem Nahmen, vorzüglich voll heller weißlichter Häuser vor.

Es ist dieses auch sehr natürlich: denn von einem Dinge, wovon man nichts wie den Nahmen weiß, arbeitet die Seele, sich noch, vermittelst der entferntesten Aehnlichkeiten, ein Bild zu entwerfen, und in Ermangelung aller andern Vergleichungen, muß sie zu dem willkührlichen Nahmen des Dinges ihre Zuflucht nehmen, wo sie auf die hart oder weich, voll oder schwach, hoch oder tief, dunkel oder hell klingenden Töne merkt, und zwischen denselben und dem sichtbaren Gegenstande eine Art von Vergleichung anstellt, die manchmal zufälliger Weise eintrift.

Bei dem Nahmen L.. dachte sich Anton ohngefähr einen etwas langen Mann deutsch und bieder mit einer freien offenen Stirne, u.s.w. Allein dießmal täuschte ihn seine Nahmendeutung sehr. Es fing schon an dunkel zu werden, als Anton mit seinem Vater über die große Zugbrücke, und durch die langen gewölbten Thore in die Stadt Braunschweig einwanderte.

Sie kamen durch viele enge Gassen, vor dem grauen Hofe vorbei, und endlich über eine lange Brücke in eine etwas dunkle Straße, wo der [35]Hutmacher L.. einem langen öffentlichen Gebäude gegenüber wohnte.

Nun standen sie vor dem Hause. Es hatte eine schwärzliche Außenseite, und eine große schwarze Thür, die mit vielen eingeschlagnen Nägeln versehen war. Oben hing ein Schild mit einem Hute heraus, woran der Nahme L.. zu lesen war.

Ein altes Mütterchen, die Ausgeberin vom Hause, eröfnete ihnen die Thür, und führte sie zur rechten Hand in eine große Stube, die mit dunkelbraun angestrichnen Brettern getäfelt war, worauf man noch mit genauer Noth eine halb verwischte Schilderung von den fünf Sinnen entdecken konnte.

Hier empfing sie denn der Herr des Hauses. Ein Mann von mittleren Jahren, mehr klein als groß, mit einem noch ziemlich jugendlichen aber dabei blassen und melancholischem Gesichte, das sich selten in ein andres, als eine Art von bittersüßen Lächeln verzog, dabei schwarzes Haar, und ein ziemlich schwärmerisches Auge, etwas feines und delikates in seinen Reden, Bewegungen, und Manieren, das man sonst bei Handwerksleuten nicht findet, und eine reine aber äußerst langsame, träge, und schleppende Sprache, die die Worte, wer weiß wie lang zog, besonders wenn das Gespräch auf andächtige Materien fiel.

Auch hatte er einen unerträglich intoleranten Blick, wenn sich seine schwarzen Augenbraunen [36]über die Ruchlosigkeit und Bosheit der Menschenkinder, und insbesondre seiner Nachbaren, oder seiner eignen Leute, zusammenzogen.

Anton erblickte ihn zuerst in einer grünen Pelzmütze, blauen Brusttuch und braunen Kamisol drüber, nebst einer schwarzen Schürze, seiner gewöhnlichen Hauskleidung; und es war ihm beim ersten Blick, als ob er in ihm einen strengen Herrn und Meister, statt eines künftigen Freundes und Wohlthäters gefunden hatte.

Seine vorgefaßte innige Liebe verlosch, als wenn Wasser auf einen Funken geschüttet wäre, da ihm die erste kalte, trockne, gebietrische Miene seines vermeinten Wohlthäters ahnden ließ, daß er nichts weiter, wie sein Lehrjunge seyn werde.

Erläuterungen:

a: Vgl. KMA 1, S. 44-52 u. 815-821, und Wingertszahn 2002.