ΓΝΩΘΙ ΣΑΥΤΟΝ oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde

Herausgegeben von: Karl Philipp Moritz, Karl Friedrich Pockels und Salomon Maimon
Digitale Edition herausgegeben von Sheila Dickson und Christof Wingertszahn


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<Arbeit im Zuchthaus.> a

Anonym

Die Generalstaaten lassen keine Verbrecher transportiren. Die Männer werden zum Arbeiten in die Raspelhäuser, b die Weiber aber in die Spinnhäuser geschickt; nach diesem allgemein anerkannten Grundsatze: Macht sie nur arbeitsam, und sie werden gut und rechtschaffen seyn.

Das Raspeln des Campecheholzes, welches vormals die Hauptarbeit der Delinquenten männlichen Geschlechts war, geschiehet jetzt an vielen Orten weit wohlfeiler auf Mühlen. Und da die Holländer Wollenmanufakturen einträglicher fanden, so haben sie seit den letztern zwölf Jahren mehrere dergleichen in ihren Zuchthäusern angelegt. In einigen unterhält die Arbeit nicht nur die Gefangnen, sondern sie haben sogar noch einige Nebenstunden, in denen sie sich etwas zu einem bequemern Leben im Gefängniß, oder zu ihrem künftigen Vortheil, verdienen können.

Für ihren Unterricht in der Tugend und Religion, und für die Verbesserung ihrer Sitten, zu ihrem eignen und des Staats Besten, wird die äusserste Sorge getragen. Der Caplan, (und ein solcher ist bei jedem Zuchthause,) versieht nicht nur den öffentlichen Gottesdienst, sondern giebt den [130]Gefangnen auch Privatunterricht, katechesirt wöchentlich u.s.w. und ich weiß zuverläßig, daß viele als mäßige und rechtschafne Leute das Zuchthauß verlassen. Einige zogen sogar ihre bisherige Wohnung der Freiheit vor, blieben und arbeiteten in demselben auch noch nach ihrer Loslassung.

Die Delinquenten werden, nach Verschiedenheit ihrer Verbrechen, auf sieben, zehn, funfzehn, zwanzig und mehrere Jahre in diese Zuchthäuser verurtheilt, um aber Verzweiflung zu verhüten, selten auf Zeitlebens.

Als eine Aufmunterung zur ordentlichen Aufführung und zum Fleiß, werden die, so sich in diesen beiden Stücken vorzüglich auszeichnen, noch vor dem Ablauf ihrer Zeit losgelassen.

Ein Gefangner, der eine verabredete Entwischung anzeigt, wird in diesem Stück sehr begünstigt. Seine Zeit wird sehr beträchtlich abgekürzt.

Einem Engländer, von Profeßion ein Schuster, welcher mehrere Jahre hindurch im Raspelhause zu Amsterdam als Gefangner gesessen hatte, soll erlaubt worden sein, sein eigenes Handwerk im Zuchthause zu treiben. Dadurch, daß er beständig geschäftig und in Arbeit erhalten wurde, soll er endlich ganz von denjenigen Lastern zurückgekommen und geheilet seyn, die ihn vorher ins Gefängniß gebracht hatten.

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Er soll bei seiner Entlassung einen so beträchtlichen Ueberschuß seines Verdienstes ausbezahlt empfangen haben, daß er dadurch in den Stand gesetzt wurde, sich nachher in London niederzulassen, woselbst er sehr gut gelebt, und gewöhnlich bei Tische »auf die Gesundheit seines würdigen Zuchtmeisters im Raspelhause« getrunken haben soll.

Erläuterungen:

a: Vorlage: Howard 1780, S. 247-248. Originalausgabe: Howard 1777.

b: Zuchthäuser mit Arbeitszwang.